Ich erläuterte ja vor ein paar Tagen ein Problem, dass sich aus dem Zusammenspiel zwischen Scrivener und jeglichem Texteditor (Word, Pages, OpenOffice, LibreOffice etc.) ergibt. Ich schrieb:
Für den Mac kann man sagen, dass Scrivener auf die systeminterne RTF-Engine von Mac OS X für den Export von Dokumenten nach .rtf, .doc oder .docx zurückgreift. Dieser Standardexporter ist aber ziemlich beschränkt, so dass alle in Scrivener angelegten Formatvorlagen/Styles zu Formatierung des Dokuments zwar optisch im Dokument mehr oder minder umsetzt, aber nicht in die Formatvorlagen des Textverarbeitungsprogramm überträgt. Dies gilt für alles. Also auch für Formatvorlagen, die Überschriften definieren und die man eventuell später braucht, um eine Inhaltsverzeichnis automatisch generieren zu lassen […]1
Was macht man nun? Eine Möglichkeit wäre natürlich auf die Nutzung von Scrivener zu verzichten. Dumm nur, wenn man den Workflow liebgewonnen hat und sich ungern davon trennen möchte oder aber bereits einiges an Text darin produziert hat. Also muss eine Lösung her. Und die ist im Prinzip gar nicht so schwer, wenn man die Voraussetzungen dafür in Scrivener schafft. Denn der Vorteil ist, wie ich bereits schrieb, dass Scrivener ja die in der Scrivener-Formatvorlage angegeben Formatierungseinstellungen auch im .doc-, .docx- oder .rtf-Dokument umsetzt, zwar nicht als einzelene Formatvorlage, aber zumindest optisch. Und das ist der Ansatzpunkt wie die Formatierungsvorlagen quasi rekonstruiert werden können.
Die Idee baut darauf auf, dass jede Scrivener-Formatierungsvorlage ein Alleinstellungsmerkmal bzw. eine Merkmalskombination hat, das sie grundsätzlich unterscheidbar von allen jeweils anderen macht. In meinem Beispieldokument gibt es folgenden Formatierungen: Hauptext (body), Hervorhebungen bzw. Quellzitate, Block-Zitate, Überschrift 2. Ordnung, Überschrift 3. Ordnung:
So, das heißt:
- Haupttext: Schriftgröße 11pt
- Hervorhebungen: Schriftgröße 11pt + kursiv
- Blockzitat: Einzug von 4,51cm
- Überschrift 2. Ordnung: Schriftgröße 14pt
- Überschrift 3. Ordnung: Schriftgröße 12pt
Der erste Kniff ist, dass diese ausgewählten Eigenschaften auch nur auf die entsprechenden Textinstanzen zutrifft. Es gibt somit beispielsweise kein weiteres Element, das nicht Block-Zitat ist und einen Einzug von 4,51cm hat oder es gibt außer den Überschriften zweiter Ordnung keine Textinstanz, die Schriftgröße 14pt hat. Da aber auch Formatierungseigenschaften (siehe z.B. Hervorhebungen kombinierbar sind, kann man eigentlich vieles recht schnell auseinanderhalten). Der zweite Kniff ist nun die mächtige Suchen-Funktion von Word (!)2 zu nutzen. Hier ist es nämlich nicht nur möglich nach Wörtern, Leerzeichen und Funktionen, sondern auch nach Formatierungen im Dokument zu suchen. Über das Menü „Bearbeiten“ ? „Suchen“ ? „Erweitertes Suchen und Ersetzen“ gelangt man nun zu folgendem Fenster:
Nach dem Klick auf den kleinen Drop-Down-Pfeil (unten link) erhält man die für unsere Absicht gewünschte Ansicht mit Formatierungssucheparameter:
Unter „Format“ finden sich nun alle möglichen Formatierungsparameter wie Schriftart, Absatz, Tabstopps etc. Für unsere Zwecke reichen Schrift und Absatz. Man wähle Schriftart aus und es öffnet sich ein weiteres Fenster, bei dem man nun die zu suchende Schriftformatierung näher definieren kann. Ich durchsuche das Dokument nun nach den Hervorhebungen – das heißt nach Textinstanze mit den Eigenschaften Schriftgröße 11pt und kursiv3:
Dies mit OK bestätigen, im Suchen-Fenstern nun eine Häkchen setzen bei „Alle Elemente markieren, die gefunden worden in »Hauptdokument«“, auf „Alle Suchen“ und abschließend auf „Schließen“ klicken. Im Word-Dokument sind nun alle Textinstanzen, die in Scrivener mit der Formatvorlage „Hervorhebungen“, d.h 11pt und kursiv, belegt waren, markiert. Jetzt nur noch im Formatvorlagen-Fenster (einblendbar über „Ansicht“/„Toolbox“ ? „Formatvorlagen“) auf „Neue Formatvorlage“ klicken, die dann eventuell noch mal anpassen mit den Einstellungen der eigenen Wahl und speichern.4 Was ist nun passiert? Alle Textinstanzen, die in Scrivener die Formatierungsvorlage „Hervorhebungen“ inne hatten, wurden markiert und durch die Schaffung einer Formatierungsvorlage (bei gleichzeitiger Markierung aller Textinstanzen) in Word dieser gerade geschaffenen Formatvorlage zu gewiesen. Dies kann man jetzt für alle anderen Instanzen – entsprechend der Formatierungsparameter wiederholen – und somit die in Scrivener gewählten Formatierungsvorlagen in Word nachbauen. Das kann je nach Anzahl der verwendeten Formatierungsvorlagen ein wenig dauern, aber ich denke mal 20 Formatvorlagen sollten in guten 15 Minuten nachzubasteln sein.
Anschließend hat man wieder die volle Kontrolle über das Dokument, kann Änderungen dokumentweit schnell durchführen und anhand der Formatvorlagen der Überschriften auch das Inhaltsverzeichnis durch Word automatisiert erstellen lassen.
Das ganze klappt natürlich auch für Fußnoten, dann den Suchbereich nicht auf das „Hauptdokument“ setzten, sondern auf die „Fußnoten“.
- über das Formatvorlagenproblem der Compile-Funktion in Scrivener [↩]
- die Anleitung gilt für Word im Mac Office Paket 2011, in Pages habe ich so eine Suchfunktion nach Formatierungen nicht gefunden, OpenOffice, LibreOffice werden wohl ähnliches anbieten [↩]
- selbst die Schriftart muss hier nicht unbedingt angegeben werden [↩]
- in meinem Beispiel der kursiven Hervorhebungen innerhalb eines ansonsten nicht kursiv gehalten Absatzes empfiehlt es sich eine neue Formatvorlage zu erstellen, die keine Absatzvorlage, sondern eine Zeichenvorlage ist. Auswählbar unter Formatvorlagentyp. [↩]