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Kategorie: Politik und Wirtschaft (Seite 3 von 12)

Warten auf richtige Berichterstattung zu E10 in den Medien

Noch mal nachgehakt… zum Thema CO2-Emissionen, Agrosprit und E10.

Es muss da zwei Interviews gegeben haben. Trittin in SpOn-Interviews zur Frage der momentanen „E10-Misere“. Man sollte diese Themen aber nie mit Wahlkampf verbinden.

Trittin zunächst im Video-Interview:

„Wir haben es mit einer Leerstelle im Umweltministerium zu tun. Erst hat sich der Umweltminister anrechnen lassen, abringen lassen einen schmutzigen Deal, wonach anstelle weiterer Verbrauchsreduktionen an unseren Fahrzeugen, Biosprit beigemischt werden darf. Und jetzt wo es eingeführt werden soll, ist er nicht mehr in der Lage, mit dazu beizutragen, dass die Menschen wissen, ob sie ihr Auto, damit betanken können. Das ist eine absurde Situation und da muss er sich nicht wundern, wenn mitten in seinem Kompetenzbereich plötzlich der Wirtschaftsminister, der gar nicht dafür zuständig ist, einen Benzin-Gipfel dazu durchführt.“
(siehe Video: SpOn)

Im schriftlichen Interview steht dann aber:

„Obwohl Klimaschutz zu Norbert Röttgens Kernaufgaben gehört, ist er im Konflikt um E10 ein Totalausfall. Erst ist komplett abgetaucht und spielt keine Rolle. Außerdem hat sich die Bundeskanzlerin auf einen faulen Deal mit der Industrie eingelassen: Um den Autobauern gesetzliche Vorgaben für sparsamere Motoren zu ersparen, hat sie in Brüssel durchgesetzt, dass der Einsatz von Biosprit auf die CO2-Grenzwerte angerechnet werden kann. Mit diesem Rabatt verschaffte sie den Herstellern Luft, sie konnten sich für die Entwicklung sparsamer Fahrzeuge mehr Zeit lassen. Den Deal hat die Industrie natürlich gerne gemacht. Aber jetzt, wo der Sprit eingeführt wird, will sie nichts mehr davon wissen.“
(siehe Interview: SpON II)

Es sollte vor allem zum Video-Interview gesagt werden, dass der schmutzige Deal noch aus Zeiten der schwarz-roten Regierung mit Sigmar Gabriel als Umweltminister herrührt und so Röttgen – so nachlässig er auch seinen Pflichten bei der Einführung von E10 hintergekommen ist – diese gesetzlichen Rahmenbedingungen als gesetzt übernehmen musste. Im anderen Teil geht dann die zweite Keule – diesmal zurecht – an Angela Merkel, die mit ihren fehlgeleiteten Richtlinienkompetenz als „Klimakanzlerin“ (das hat sie ja inzwischen aufgegeben) und Vertreterin einer sozialen brutalen Marktwirtschaft schließlich gezeigt hat, was wichtiger ist: Profit oder Umweltschutz.

An sich ist es gut, dass Trittin öffentlich die zahlreichen ursächlichen Beteiligten an der Agrosprit-Misere aufzählt (vor allem das nun neben den Mineralölkonzeren, der oft und meiner Ansicht nach zu Unrecht gescholtenen EU endlich die Automobilwirtschaft und deren Lobbyverbände erwähnt werden), seine Vermengung aber mit Wahlkampf-Rhetorik und schlagzeilen-kompatiblen Anfeindungen ist einfach nur hohl. Wieso nicht einfach mal sachlich-argumentativ die Fakten und die Geschichte bzw. den Hintergrund von E10 darlegen. … Naja. Wenn ich mir die Berichterstattung der Medien in den letzten Tagen so ansehe, dann hätte ohne Trittins Gebrüll all das wohl keinen interessiert. Traurige Republik.

Mehr zu den Hintergründen im meinem letzten Artikel.

Die CO2 induzierte Spritlüge – Wir sind Schuld an E10.

Ich war davon überrascht. Aufgrund gewisser familiärer Konstellationen war ich plötzlich – wenn auch nur leihweise – im Besitz eines Autos. Ich fuhr und fuhr und plötzlich stand ich an einer Tankstelle und hatte neben den gewohnt netten Preisen, die ein Volltanken für mich stets unmöglich machen, ein Problem: E10.

Ich habe wirklich nichts von der Einführung dieser Kraftstoffvariante mitbekommen. Ich konnte weder mit dem Begriff, noch mit der dahinter stehenden Debatte bzw. Problemen irgendetwas anfangen. Ich tankte also zunächst Super+, da ich rechtzeitig die an der Zapfsäule angebrachte Warnung der möglichen Unverträglichkeit einiger Motoren wahrnahm. Ich fuhr nach Hause und wunderte mich, dass ich von dieser Einführung und Veränderung wirklich gar nichts mitbekommen habe.

Waren die medialen Höhepunkte der letzten Wochen und Monaten: Ägypten, Tunesien, Libyen und zuletzt Guttenberg einfach zu stark, so dass ein Mensch ohne Fernseher, aber mit viel Internet, keine Informationen darüber erhalten hatte. Ich suchte in ein paar Archiven der Fernsehanstalten und musste feststellen, dass es eine Berichterstattung gab. Jene war aber unter dem Aspekt der Aufklärung, was da eigentlich nun in die Tanks gefüllt werden sollte extrem mangelhaft. Auch das wichtigste: die Hintergründe, vor allem das Warum, wurden nicht noch einmal deutlich den Zuschauern vor Augen geführt.

Warum also dieses E10?

Hier also die Ergebnisse meiner kleinen Recherche. Es wird jetzt überraschen, dass der Grund dafür in uns selbst liegt. In all den Kraftfahrern, PKW-Besitzern, die den Weg zu Fuß zum Supermarkt scheuen, die auf der Autobahn ihren 140PS-Wagen mit netten 170 km/h über die schöne, freigegebene Autobahn jagen? Hä? Wie jetzt? Ein Beispiel, wie ich darauf komme. Zwischen dem von mir gefahrenen Golf II – entwickelt Ende der 70ern, gebaut verstärkt in den 80ern, konkretes Baujahr 1990 – und einem moderen Fahrzeug, wie z.B. einem Golf VI (ab 2008), liegt irgendwie nicht so viel Ökobewusstsein und positive Klimabilanz wie erhofft und erwartet:

Golf II (BJ 1990 – 40 KW ~ 55PS ): 7,6 Liter Benzin pro 100 km mit CO2-Emissionen bei Benzin von 2,32 kg pro Liter (generell) ergibt: 2,32 kg pro l × 7,6 Liter bei 100 km= 17,632 pro 100 km — 176g/km

Golf VI (BJ 2008 – 59 KW ~ 80PS): – ich kürze ab –  — 149g/km (Angabe laut Hersteller)

Natürlich ist der aktuell günstigste Golf VI wesentlich stärker motorisiert und es gibt weitere Aspekte zu beachten (Katalysator-Normen, Fahrweise, Art der Nutzung, Höchstgeschwindigkeit etc.) Trotzdem. Es sind bald 20 Jahre ins Land gegangen. Jahre, in denen vor Klimaveränderungen gewarnt wurde, Technologien weiterentwickelt werden konnten, trotzdem beträgt ausgehend vom Normverbrauch der CO2-Emissionsunterschied pro Kilometer zwischen IIer und VIer Golf nur schlappe 27 Gramm?

10 years

Vergleicht man die Innovationsstärke im Bereich Umweltverträglichkeit von Automobilen mit der Entwicklung, die digitale Devices respektive Handys in den letzten 20 Jahren genommen haben, dann kommt man zu dem Eindruck, dass in der Automobilindustrie, drastisch formuliert, fast Stillstand herrscht. Mobiltelefone wurden bei geringerer Leistungsaufnahme immer leistungsstärker und mit immer größerem Funktionsumfang ausgestattet. Der durchschnittliche Emissionsausstoß der Fahrzeuge in Deutschland 2007 lag bei 170 g/km und somit nicht weit von der Marke des Golf II aus dem Jahre 1990 entfernt. Die genaueren Gründen für diese träge Innovationsbereitschaft werden in der SWR-Dokumentation von Hanspeter Michel „Die Spritfresser – Warum sparsame Autos keine Chance haben“ aus dem Jahre  2006  reflektiert. Es ist ein seltsames Gebräu aus Marketing, F+E und den Anforderungen des Marktes. Der Markt behauptet, dass sparsame Autos bis hin zu Hybriden am Markt nicht gefragt seien, deswegen (bzw. gleichzeitig) erfolgen Marketingkampagnen, die Freiheit, Stärke und Dynamik der Autos anpreisen. Scheinbar ein Teufelskreis. Hersteller sagen Spritspar-Autos sind haben keinen Markt, Autofahrer bekommen bzw. bekamen in den letzten Jahren aber auch nur die die PS-Bolliden angepriesen.

Die Emissionen unserer Fahrzeuge „verursachen insgesamt zehn Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes in Europa. CO2 ist das Treibhausgas, das am stärksten zur globalen Erwärmung beiträgt“1; auch wenn es für den letzten Punkt durchaus Zweifler gibt. Da aber deren Widerlegung an dieser Stelle den Rahmen mehr als sprengen würde, sei auf folgende Grafik verwiesen. Durch das Zusammenkommen von Klimabedenken, offenbar fehlender Innovationsbereitschaft (vor allem in Europa) bei der Entwicklung serienreifer, klimaschonender Automobile und auch einer mangelnden Umerziehung zur klimabewussten Mobilität sah sich die Politik bereits früh genötigt nachzuhelfen.

1995 beschlossen die Staats- und Regierungschefs der EU bis 2012 den Emissionsausstoß von Neuwagen auf 120g CO2/km zu begrenzen. Zunächst durch eine freiwillige Vereinbarung zwischen Kommission und dem Verband Europäischer Automobilhersteller (ACEA) sollten bis 2008 die durchschittlichen Emissionswerte  auf 140g CO2/km gesenkt werden. 2004 war man dann bei 163g CO2/km angekommen (wohlgemerkt alles nur Durchschnitt, wobei bei den Autoherstellern auch nur der Durchschnitt der gesamten Flotte gemessen wird) und erkannte, dass freiwillige Vereinbarungen und die Selbstverpflichtung offenbar nicht ausreichend sind. Die Strategieänderung folgte 2007. Mit einer gesetzlich, verbindlichen Verordnung sollte dem Emissionsproblem zu Leibe gerückt werden. Der schwierige Aushandlungsprozess zwischen der Kommission, den Lobbyvertretern der Automobilwirtschaft und, am Rande, den Umweltverbände brachte einen Kompromiss hervor. Die integrative Lösung sah Folgendes vor:

I. Verbesserungen der Fahrzeugtechnologie, um die durchschnittlichen Emissionen auf 130g CO2/km abzusenken

II. komplementäre Maßnahmen (wie die verstärkte Nutzung von Biokraftstoffen, kraftstoffeffiziente Reifen und Klimaanlagen, öko-bewusstes Fahren sollten die restlichen 10 0g CO2/km einsparen

III. Die Vertragsstrafen, die bei Nichteinhaltung, verhängt werden sollten wurden abgemildert: Ursprünglich sollte  2012 mit „20 Euro pro Gramm Kohlendioxid, das jedes Auto über den Grenzwert hinaus ausstoße, begonnen werden; 2013 würde dieser Betrag auf 35 Euro, 2014 auf 60 Euro und 2015 auf 90 Euro angehoben werden.“2 Abschließend „einigte“ man sich auf folgender Regelung: „5 Euro für das erste Gramm CO2 über dem Grenzwert, 15 Euro für das zweite Gramm, 25 Euro für das dritte und je 95 Euro ab dem vierten Gramm CO2. Ab 2019 werden die Hersteller für jedes Gramm, mit dem der Grenzwert überschritten wird, 95 Euro zahlen müssen.“ ((Autos und CO2- Dossier von euractiv.com))

Geschickter Lobbyismus holte die Automobilindustrie zum Teil aus der Verantwortung. Man glaubte an einen Vorteil für alle; auch medial. Der Einsatz von Biokraftstoffen, die ja im Prinzip nur Agrokraftstoffe sind und mit der Idee „Bio“ nichts zu tun haben, war ein Gefallen der Entscheider für die Automobilindustrie, der zudem noch die Landwirtschaft in Europa fördern sollte. Doch damit nicht genug. Weiterhin spielt ein zweites Gesetz hineint: BioKraftQuG: Das Biokraftstoffquotengesetz. Es soll dazu dienen das weitere Richtlinen, die die EU 2003 erließ (und 2009 revidierte, zum Teil änderte und in die Vorgaben zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen integrierte), um generell den Anteil erneuerbarer Kraftstoffe auf dem Gesamtmarkt (vor allem gegenüber den klassischen fossilen Kraftstoffen) zu erhöhen. Für den Verkehrssektor bedeutet dies nun, dass bis 2020 10% Endenergieverbrauchs auch erneuerbaren Energiequellen stammen müssen. Dies kann erfolgen durch Fahrzeuge, die gänzlich auf andere erneuerbare Kraftstoffe setzen (bishin zu Elektroautos) oder eben indem den normalen fossilen Kraftstoff verstärkt Bioethanol – hergestellt aus nachwachsenden Rohstoffen – beigemischt wird.

Der vorerst letzte Auswuchs ist nun E10. Ab 2008 gab es dafür bereits neue Bemischungsquoten:  Statt wie bisher 5 % Bioethanol aus Mais, Raps, Rüben, Getreide oder Zuckerrohr (somit ehemalige Nahrungsmitteln) dem Kraftstoff zuzusetzen, sollten es nun 10% sein. Was irgendwie gut klingt, irgendwie für alle, ist aber nichts als blanker Betrug. Denn um den Bedarf an Bioethanol zu decken in unserem energie- und kraftstoffhungrigen Europa, reichen die eigenen Ressourcen Europas kaum aus. Man muss mittel- bzw. langfristig auf dem Weltmarkt hinzukaufen, denn Europa kann seinen Bedarf daran nicht alleine decken. Selbst, wenn – wie Greenpeace in einer Studie nahelegt – es in Europa zu ebenso verheerenden „indirekter Landnutzungsänderungen“ kommt, müssen trotzdem 2020 50% des Bioethanols und 41% des Biodiesels importiert werden. Die Weichen dafür wurden offenbar bereits gestellt, insofern die EU mit ihren Handelspolitik freien Zugang zu den Rohstoffen anderer und vor allem von Entwicklungs- und Schwellenländern haben will. Doch was bedeutet dies? Das bedeutet nichts anderes als das wir mit unserem Willen die Umwelt zu schützen, die Umwelt in anderen Bereichen der Erde und somit global betrachtet auch uns wieder schädigen. Denn die Idee des Biosprit Agrosprit ist im Prinzip nichts anderes als eine Klimalüge (aus einem Dokument von Greenpeace):

„Besonders in Südamerika und Südostasien führt der globale Energiehunger nach Pflanzenölen dazu, dass Ölpalmenplantagen und Sojafelder immer weiter in Urwaldregionen vordringen. Mit verheerenden Folgen für das Klima! In den Böden und Wäldern sind große Mengen Kohlenstoff gespeichert, die bei der Abholzung als Kohlendioxid in die Atmosphäre abgegeben werden. Amerikanische Wissenschaftler haben berechnet, dass es je nach Anbaugebiet bis zu 420 Jahre dauern kann, um das bei der Rodung freigewordene CO2 durch Agrokraftstoffe wieder einzusparen.“

Auch jene Arte-Dokumentation „Die Biosprit Lüge“ auf youtube (Teil I, II und III) zeigt die Auswirkungen, die die Bekämpfung unseres Energiehungers mithilfe von erneuerbaren Kraftstoffen in Indonesien hervorruft. Dabei sollte man besonders auf die ethische Dimension unsere Umweltschutzbemühungen achten.

Aber auch die heimische Agrokraftstoffproduktion ist durchaus problembehaftet. Denn die „Klimaschutzwirkung praktisch aller in Deutschland angebauten Biosprit-Sorten ist negativ“ sagt Jürgen Schmid, der WGBU-Mitglied und Leiter des Kasseler Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik ist, heute auf SpiegelOnline. Denn für die Produktion von Agrokraftstoffen müssen gewaltige Landflächen bereitgestellt werden (zum Teil auch durch die EU subventioniert), die dann wiederum für die Nahrungsmittelproduktion fehlen. Es kommt zwar an dieser Stelle nicht zu Nahrungsknappheit, da die Märkte durch Importe reagieren werden. Jedoch „muss die wegfallende Kapazität für die Nahrungsmittelherstellung irgendwo auf der Welt ersetzt werden…“, so Schmid. Durch aufgewandte Energie für die Klutivierung der benötigten Agrarfläche (in Südamerika gern und präzise durch Brandrodung) wird die Klimabilanz der Agrokraftstoffe zusätzlich negativ.

Wie man es auch dreht oder wendet. Das Boykott von E10 – das weder deutlich preiswerter ist, noch irgendeinen Vorteil für die die Motoren selbst bringt. Zwar gibt es weniger Treibhausgase ab, steigert aber den Verbrauch um rund 3% („bei 27 Milliarden Liter Super, die Autofahrer in Deutschland pro Jahr verbrauchen, sind das rund 800 Millionen Liter zusätzlich„), wobei ich ja bereits gezeigt habe, dass bei einer konsequenten Umsetzung der Beimischungsquote die Energiebilanz auf kurz oder lang nur negativ ausfallen kann. Doch das Boykott findet aus den falschen Gründen statt. Unwissenheit und Ärgernis über den steigenden Verbrauch. Die Hintergründe sickern erst langsam in die Medien durch. Wobei ich zugeben muss, dass dies auch alles sehr verwirrend und komplex ist. Spätestens dann, wenn man sich mit den Zielen der EU und den Zielen der Lobby auseinandersetzt.

via klonblog

Man kann an dieser Stelle wieder einmal wunderbar sehen, wie an sich richtige Vorhaben durch die Realität und Lobbyarbeit zu verkehrt und zerstört werden. Man hätte auch einfach 120 CO2g/km durchsetzen können, ohne mit einem neuen Kraftstoffgemisch entgegenkommen zu wollen, dessen Gesamtbilanz dann auch noch schlechter ist als vorher. Stattdessen lieber: Konsequenter Einsatz von Spritspar-Technologien in allen Serienwagen bishin zu Vollhybriden usw, extreme Steuersätze auf Autos mit hohen Leistungszahlen, eine wirkliches Umerziehen zum umweltbewussten Autokauf und vor allem einer Umweltbewussten Fahrweise (mal gesehen, was Geschwindigkeit jenseits von 150 km/h für die Umwelt bedeuten?), generell mehr mediale Aufmerksamkeit und sorgfältige Informationen, das verstärkte Fördern von öffentlichen Verkehrsmitteln, Mitfahrerquoten für Kollegen, Geschwindigkeitsbegrenzungen: 120 km/h als Höchstgeschwindkeit flächendeckend auf allen Autobahnen, 80 km/h auf allen Landstraßen und 50 km/h als Normalgeschwindigkeit innerorts (jenseits der Schrittgeschwindkeit und der 30er-Zonen)… denn „It isn’t what you drive that matters. It’s how you drive it! That is everything…“ Wir sind die Ursache von E10. Und die Politik sollte die Möglichkeit wahrnehmen den Markt zu regulieren. Nicht um mehr Freiheit für Profite zugewährleisten oder selbst mehr Steuern einzunehmen, sondern unsere Zukunft lebbar zu gestalten. Es ist nun einmal so: Bequemlichkeit respektive Luxus und Umwelt- bzw. Klimaschutz schließen einander offenbar aus.

 

  1. Autos und CO2Dossier von euractiv.com []
  2. Autos und CO2- Dossier von euractiv.com []

„Hypothesen sind Netze, nur der wird fangen, der auswirft.“

Druck. Wir stehen unter Druck. Ich stehe gerade ein wenig unter Druck. Denn der Dystopist hat einen interessanten Artikel zur aktuellen Guttenberg-Plagiat-Doktor-Gedöns-Affäre veröffentlicht. Es ist natürlich ein teilweise interessanter Einblick eines Forschers, der sich im Wissenschaftsbetrieb befindet und die Standard-Meinung zu Plagitaten und nicht richtig gekennzeichneten Zitaten aufführt. Schön und gut. Scheinbar kommt noch mehr. Aber bisher wird für mich beim Dystopisten, aber auch in den einschlägigen Medien, eine wichtige Kernfrage unterschlagen.

Es ist für mich nur von minderen Interesse, dass eine bisher so glaubwürdige Person wie Herr von Guttenberg plötzlich und vermutlich auch eindeutig des Promotionsplagiates überführt wird – ähnliche Auseinandersetzungen gab es bei Kohl, bei Putin und im literarischen Betrieb vor ein paar Monaten bei Airen und Helene Hegemann – wenn man sich den Workflow eines Politikers ansieht, ist das selbstständige Verfassen von Reden und Manuskripten eher die Ausnahme; ein weltweites und durchaus akzeptiertes Phänomen. Natürlich darf dies nicht für eine Doktorarbeit gelten, denn gerade hier steht die intellektuelle Eigenleistung des Verfassers im Vordergrund mit dem Mindestziel neue Aspekte zur Debatten der Forschung beizutragen, verschiedene Aspekte neu zu kombinieren oder sie an gewissene Themen mit eigenem Standpunkt abzuarbeiten. Das entdecken von neustem Land ist vor allem in den Geistes- und Sozialwissenschaften meiner Ansicht nach eher selten. Es ist ein beständiges Aufsitzen auf vorhandenem, ein Remix, der unterfüttert wird durch noch nicht in den Kreislauf eingebrachtem Wissen, durch sprachliche Prägnanz von Aussagen, die so noch nicht hervorgehoben wurden. Was wichtig ist und worin in dem Dystopisten nun auch zustimme, ist das faire Kennzeichnen der entlehnten und zitieren Stellen. Das ist einfach Wissenschaft, das macht jeder und das ist auch notwendig, damit die Forschung weitergehen kann. Denn durch das Fehlen von Quellen – ein Phänomen, dass es übrigens auch extrem bei den gerade so schön auf das Thema schlagenden Mainstreammedien gibt – wird die Arbeit zum Inselmedium und somit nicht richtig nachvollziehbar, woher all das kommt: eine Sackgasse. Wissenschaftliche Arbeiten leben von offen gelebter Intertextualität und sind Oszillationsmedien.

Schlimmer aber als das guttenbergsche Ignorieren dieses Forschungsgrundsatzes ist der Shift der Debatte. Erstens: Von was soll all das ablenken? Riesige Artikel auf den wichtigsten Seiten der Zeitungen. Meldungen und Artikel zu viel wichtigen Themen: Finanz- und Wirtschaftskrise, HartzIV-Debatte, Revolutionen auf dem afrikanischen Kontinent und im Nahostraum sowie der eigentlich aufsehenerregende Tod von Bundeswehrsoldaten in Afghanistan werden mit einem Streich zu kleinen Anhängseln auf Seite drei. Gleiches gilt für die Onlinemedien. Kein Besuch der Nachrichtenseiten war möglich, ohne auf der Startseite in prominenter Positionen Variationen des guttenbergschen Gesichtes in zum aktuellen Stand der Debatte passenden Ausdrücken zu sehen; gepaart mit Stockfotografien von Bücher- oder Blätterstapeln. All das ist beileibe nicht so wichtig, nicht weltbewegend. Ein kleiner Skandal, eine kleine Affäre, die in den nächsten Jahren nur noch in irgendwelchen TopTen-Listen der blödesten Fehltritte des politischen Berlins auftauchen wird.

Vielmehr sollte man das Entdecken des Plagiates als Ausgangspunkt nehmen, um über die Ursachen nachzudenken, die ich nicht unbedingt in der persönliche Fehlstellung und Selbstwahrnehmung des Betroffenen sehe, sondern vielmehr in einem Systemfehler, der durch zahlreiche hochschulpolitische Reformen noch verstärkt und begünstigt wurde und mit einer Wesensveränderung der Akademiker einhergeht. Der Dystopist spricht den Stress und die Belastung von Bachelorstudierenden an. Ich will das jetzt nicht überbewerten, aber es ist das Ergebnis einer Entwicklung, die ich hochschulpolitisch als sehr problematisch empfinde. Es ist die Verschulung des Studiums zur Effizienzsteigerung, zur Ökonomisierung und Monetarisierung des akademischen Bereichs. Der deutsche Physiker Harald Lesch sprach in einem wunderbaren Rant in einer Folge des Podcasts „Elementarfragen“ über die fehlende Kultur des Vertrauens im Dunstkreis der Universitäten, die ein ruhiges Forschen verhindert und so auch das Entstehen von intellektuellen Höchstleistungen teilweise unterbindet. Ratingagenturen bewerten Studiengänge mit falschem Maß und beenden das wilde „Herumspinnen“ der Akademiker, was primär vielleicht nicht zielführend wirkt, aber wie die Geschichte stets bewiesen hat, mittel- und langfristig immer wieder neue Entdeckungen und Erkenntnisse ermöglichte: „Ein Mangel an Phantasie bedeutet den Tod der Wissenschaft.“1 Man studiert nicht mehr für das Thema, für die eigene intellektuelle und menschliche Weiterentwicklung, sondern soll passend und plan für die kommende Karriere studieren. So der Plan und ein Teil der Kritik Leschs.

So ist ein Doktortitel – dies jetzt bitte nicht über alle Maßen allgemeinernd verstehen – nichts weiter geworden als ein Karriereschritt, bei vielen nicht mehr eine Tat aus innerer Überzeugung sich einem Thema hinzugeben, zu einer Debatte etwas beizutragen. Ein Doktortitel ist Prestige, der offenbar ein weiterhin hohes Ansehen in der Gesellschaft geniesst, der den Promovierenden irgendwie profiliert und zu höherem Respekt verhilft. „Herr Dr. Soundso“ wird so Teil der intellektuelle Elite der Gesellschaft. So die Wahrnehmung. Dass diese vielleicht durchaus richtige Wahrnehmung der Promotion jedoch dazu führt, dass eine solche nur noch als Durchlauferhitzer für eine angestrebte Karriere umfunktioniert wird und fungiert, ist die eigentliche bedauerlich Fehlentwicklung, die an diesem Skandälchen sichtbar wird. Seien wir ehrlich: Man kennt das Leben und den Arbeitstag von Politikern, man kennt den Arbeitsablauf des Abfassens einer ernsthaften wissenschaftlichen Arbeit. Beides ist nahezu nicht – und wenn nur unter großen gar riesigen Entbehrungen – vereinbar. Dass bei Guttenberg nun zu Tage tretenden Plagiat ist nicht nur Ergebnis von formalen Fehlern und mangelnder Sorgfalt (dafür ist das Ausmaß zu umfangreich), sondern von mangelndem Herzblut und falscher Motivation. Die Motivation bestand vielleicht nur darin, dem guten Ton zu entsprechen, die eigene und intellektuelle Leistungsfähigkeit zur Schau zu stellen und sich in späteren politischen Debatten etwas mehr Gewicht verschaffen zu können. Natürlich sind dies alles nur Mutmaßungen meinerseits, jedoch kann ich mir jenseits einer Ghostwriter-These, diese zahlreichen „Schlampereien“ in einem eigenen Baby „Doktorarbeit“ nicht anders erklären.

Das skizzierte Phänomen ist aber leider nicht nur ein Einzelfall eines populären Promovierenden Guttenbergs, sondern eine durch politische Fehlentscheidungen, die von unserer Gesellschaft akzeptiert und teilweise von den Medien gefeiert wurden, heraufbeschworene Entwicklung akademischer Bildung in Deutschland. Schade, dass dies in den Debatten kaum oder nur wenig abgebildet und nachgezeichnet wird. Einige wenige Artikel beschäftigen sich aber mit dieser Frage:

Der Titel des Beitrages ist ein Novalis-Zitat.

UPDATE: Da ist mir dann doch ein Artikel der Zeit vom 16.02.2011 entgangen, der sich der Frage von Hochschulpolitik respektive Leistungsdruck an der Universität und Guttenbergs Plagiat als prominentes Beispiel für diese Entwicklung stellt. Dagny Lüdeman, die Redakteurin im Ressort Wissen von ZEIT ONLINE ist, wittert einen gewissen „Opportunismus“, der den Grund abliefert sich einem Dissertationsprojekt zu widmen. Das ähnelt meinen Überlegungen stark. Schade, dass dieser Aspekt in den Medien nicht weiter verfolgt wurde. (01. März 2011)

  1. Johannes Kepler []

Nomen nominandum

„Das weiß ich doch auch nicht.“ An grauen Tagen ruft mich meine Familie immer an. Das Schöne daran ist die Gleichmäßigkeit des Gesprächverlaufs. Nach dem kurzen Austausch wie die letzten Tage (naja eher Wochen) waren und ich von der Monotonie berichtend ausweichend nichts erzähle, schwingt das Thema ins Futurische (Substantivierung eines adjektiviertem Substantiv) um.
Wie soll es jetzt weitergehen? Nach dem Abschluss. Nachdem Uni und Staat zurecht (das möge bitte jeder für sich selbst entscheiden) durch verschiedene Mechanismen mich zum Abschluss „gedrängt“ haben.

// Es ist ja nicht so, dass es da universitätsintern durch die Bestimmungen der Prüfungsordnungen noch nicht genug ZEIThürden gibt, die einem nahelegen, dann doch bald mal fertig zu werden. Nein, das reicht nicht. Es müssen Langzeitstudiengebühren erhoben werden, es müssen unstudentische Kranken-kassenbeiträge erhoben werden für Studenten, die nun mal nicht in der Regelstudienzeit fertig werden (ja Langzeitstudenten, die ordentlich an einer deutschen Uni immatrikuliert sind, zahlen nicht den ab dem 25 Lebensjahr üblichen und bundeseinheitlichen Studententarif von knapp 65 Euro monatlich (mit Pflegeversicherung)… nein, man zahlt richtig.) Wusste ich bis dato auch nicht. Als ich dann vor meinem TK-Berater stand und ihm mitteilte, dass ich nach Abzug aller Fixkosten im Monat nur noch 80 Euro zu Verfügung habe, die aber nicht reichen, die Differenz von 65€-Studententarif zum Volltarif auszugleichen, zuckten wir gemeinschaftlich mit den Schultern. (Kleiner Tipp am Rande: Krankenkassebeiträge nicht zahlen – also die Anarchovariante des Widerstandes – hilft auch nicht, denn man wird ohne Krankenversicherungsnachweis recht flux exmatrikuliert. Das läuft echt problemlos, schnell und automatisch.)
Ach ja, das Kindergeld gibt es auch nur noch bis zum Abschluss des 24 Lebensjahres. Man sieht also Politiker und Lobbyvertreter, die jahrzehntelang das deutsche, akademische Bildungssystem genossen haben und vermutlich auch zurecht Stolz sind auf ihre Ausbildung, haben in den letzten Jahren beschlossen, zu kürzen und zu stützen, damit das ganze effizienter und schneller geht (ins gleiche Horn stoßen für mich auch diese unsäglichen Reformen im Zuge von Bolgona, die studieren verschult und im Bachelorstudium wirklich keinen Raum lassen für eine echte intellektuelle Weiterentwicklung…). Das Paradoxe ist wirklich, dass diese Menschen jenes Bildungssystem, was sie heute kritisieren, selbst genossen haben und sich sicherlich nicht absprechen lassen würden, erfolgreich genutzt zu haben. //

Fazit: Es wird also monetär, um es mal so zu sagen, sanft gedrängt. Deswegen entschloss ich mich auch trotz aller Bettelversuche mit dem Hinweis, dass ich mich doch im Abschluss befinde und nur noch die Prüfungen hinter mich zu bringen habe, den Kloß zu schlucken und ab jetzt das System System sein zu lassen. Ein inneres Fuck-Off-And-Die gab es dann auch nie. Man erträgt es eben. Ausgestattet mit dieses neuen Einstellung und fehlender Subersivität raste dann auch der Studienabschluss im Nu heran. Bald hatte ich auch wieder Zeit aufzublicken, mehr Freizeit und die Telefonate mit der Heimat häuften sich wieder.
Das, was ich dann erzähle, daran glaube ich selbst nicht. Zum einen bin ich kein wirklicher Multitasker im Großen. Kein Problem Musik zu hören, einen Blogbeitrag zuschreiben und dabei die Twitter-Updates im Blick zu behalten während ich mitten in einem Facebook-Chat drin stecke. Aber wenn es um das Abarbeiten von großen Dingen geht, dann herrscht bedächtiges schrittweises Abarbeiten. Was jetzt bedeuten soll, dass ich keine ernsthaften Gedanken daran verschwendete, was nach den Abschlussprüfungen sein wird. Zum einen, weil ich tief im Inneren die Sorge barg, doch zu versagen, zum anderen, weil sich in mir nur schimmelige Sprossen von Zukunftsvisionen angesammelt haben. Während so viele Kommilitonen neben mir schon Bewerbungen schrieben, sich um dies oder das bemühten, konnte ich keinen Gedanken daran verschwenden, denn ich musste ja erst den Abschluss machen. Vorher kann nichts in mir einen ernsthaften Gedanken an Zukunft verschwenden. Irgendwie ist ja auch in dieser Zukunft Vieles möglich, aber auch wieder nicht.
Somit fühle ich mich im Gespräch mit zu Hause wie ein Politiker inmitten einer Wirtschaftskrise. Er vertröstet, er verschiebt, er verweist auf unsichere Faktoren und das einzige, was er versprechen kann, ist die Hoffnung nicht aufzugeben… es ist erstaunlich wie einfach all das von zu Hause geschluckt wird, obwohl das beständige Nachfragen dann doch auf Unglauben schließen lässt.

Wie soll es also weitergehen? Ich bin trotz der partiellen Multitasking-Unfähigkeit ein grandioser Stratege und, wie mein hervorragenden Uniabschluss beweist, auch ein kluges Köpfchen. Die Strategie sieht einen Drei-Flanken-Angriff, wie bei der preussischen Offensive auf die Flanke der Russen im November 1914. Flanke eins: Promotion. Flanke zwei: Selbstständigkeit. Flanke drei: Lohn und Brot. Es wird nun ersichtlich, dass das irgendwie vielleicht unter Umständen und bei Bedarf schwierig wird.

Promotion ist so ne‘ Sache. Wenn man nicht gerade in ein passendes Graduiertenkolleg mit viel Glück hineinrutscht oder auch an seiner Uni schon passende Kontakte für ein Promotionsprojekt geschlossen hat, muss man individuell aktiv werden und sich alles entsprechend selbst zusammensuchen. Mir fehlt es derzeit an einem wirklich geeigneten Thema, das auch die Länge und inhaltliche Tiefe einer zwei- bis dreijährigen Promotion tragen kann. Klar könnte ich das Thema meiner Magisterarbeit ausbauen oder auch mich auch endlich meinem heimlichen Steckenpferd und Interesse „Digitale Literatur“ widmen, aber irgendwie ist das der berühmte Groschen noch nicht gefallen. Ich habe zwar bereits ein Exposé knapp, aber fristgerecht, abgeliefert, aber nach eigenem Empfinden war das inhaltlich noch nicht der Hammer. Sowas braucht Zeit und meiner Ansicht nach Inspiration, die ich derzeit irgendwie nicht gewinnen kann.

Selbstständigkeit ist die zweite Flanke. Schon seit Jahren habe ich für verschiedene Vereine Layouts und Internetseiten erstellt, Pärchen und Einzelpersonen fotografiert, Hochzeitsreportagen gebastelt usw. warum also dafür nicht Geld verlangen? Die Leute waren ja schließlich zufrieden. Doch die Komplexität eines solchen Vorhabens ist immens. Ganz Bücher werden damit gefüllt. Neben Fragen wie kriege ich einen Kundenstamm, der mich am Leben hält, kann ich genug Geld generieren um die Hardware auf ein ausreichendes Level zu pushen, sind vor allem formale Fragen unendlich nervig: Steuer, Rechtsform usw. Zudem habe ich immer das Gefühl, dass ich neben ausgebildeten Mediengestaltern nicht konkurrieren kann. In mir steckt also immer das Gefühl: Es reicht nicht, um im kreativen Strom, der mir aus dem Netz entgegenschwappt, mitzuschwimmen. Trotzdem habe ich mich entschieden meine kreative Heimat: www.tageausglas.de rundzuerneuern und die Seite wird noch Ende dieses Monats gelauncht. Mal sehen.

Lohn und Brot beschließt den Angriff. Lohn und Brot ist auch die Umschreibung für ein geregeltes Leben in einem Unternehmen, dass mich für meine Arbeitsleistung monatlich bezahlt. So die Theorie. Praktisch steht man aber davor – abgesehen davon, in welcher Branche, in welchem Bereich man sich selbst sehen will – dahin zunächst einmal zu gelangen. Als Germanist germanistischer Literaturwissenschaftler (!) ist man sozusagen das schwärzeste Schaf unter den anderen grau-schwarz melierten Wolltieren. Überblickt man die Stellenangebote und gibt sich der Versuchung hin als Suchkriterium die eigene akademische Ausbildung hinzuzuziehen, staunt man nicht schlecht. Der Arbeitsmarkt für Menschen, die sich mit der Muttersprache und der muttersprachlichen Literatur des eigenen Landes auseinandergesetzt haben, scheint einfach nicht zu existieren. Und so liest man zwischen den Zeilen und sucht zwischen den Anforderungen einer medienwissenschaftlichen, wirtschaftswissenschaftlichen und kulturwissenschaftlichen Ausbildung sich selbst. Die zweite Baustelle ist dann der Lebenslauf und das Anschreiben und man wird zum ersten Mal im Leben richtig gefordert sich ernsthaft richtig und glaubhaft darzustellen. Irgendwie macht es schon Spaß das Ganze vorzubereiten, aber irgendwie ahne ich schon, dass mich Absagen frustieren werden.

Man sieht, diese Strategie ist Multitasking pur, denn man weiß ja nie was klappt. Die Erfahrung zeigt, was ja dann irgendwie wieder beruhigend ist, ist, dass, wenn eine Tür sich schließt, sich eine neue öffnen wird. Bis dahin bleibe ich ganz tapfer am Telefon.

Ach ja, und falls jemand einen netten Job hat, sag‘ Bescheid.

Vorsicht vor dem Wahl-O-Mat

Ich habe eigentlich nicht viel Zeit. Nur kurz etwas zur Bundestagswahl. Der Wahl-O-Mat wird an mancherlei Stelle angepriesen als die ultimative Wahlhilfe: „Mach den Wahl-O-Maten und du weißt, was du wählen solltest (willst; wirst)!“ Der Wahl-O-Mat besitzt schon seine Berechtigung keine Frage. Er fungiert mehr oder minder als Filter und siebt die seitenlangen Wahlprogramme und Grundsatzprogramm der demokratischen Parteien nach Thesen, auf die die Parteien festgenagelt werden können. Es ist doch irgendwie verständlich und gleichzeitig aber auch traurig, dass dieses hochkomplexe Gebilde der Staatssteuerung (also das, was die Politik so betreibt) nicht schnell erworben und begriffen werden kann.

Ich denke, es ist für die Macher des Wahl-O-Mats ein jedes Jahr neu aufkommendes Problem wie detailliert die Auswertung der Parteiprogramme sein muss. Zu detailliert würde die Informationslast bei der Entscheidungsfindung zwischen Ja, Nein und ich weiß nicht am Wahl-O-Maten schnell so verkomplizieren, dass es Grundfragen, Unterfragen und Detailfragen geben müsste. So bleibt es bei wenigen Politiken gespickt mit Detailfällen. Steht jetzt die Frage zum Atomausstieg in direkter Verbindung mit der generellen Energiepolitik der Parteien … d.h. welches zukunftsfähige und realistische (vor allem finanzierbare) Konzept legen die Parteien bei einer Befürtwortung des Atomausstiegs vor. Entscheidender an dieser Stelle bleibt ja zu Fragen sind sich die Wahl-O-Mat-Nutzer und gleichsam Wähler der Konsequenzen eines Atomausstieges oder der Fortführung der Atomenergie als Lieferant für Industrie und Haushalte bewusst. Der Wahl-O-Mat kann dies an dieser Stelle nicht leisten.

Auch beim Mindestlohn stellt sich die Frage. Bis auf CDU/CSU und FDP wird dieser einheitlich von den bisher im Bundestag vertretenen Parteien gefordert. Jedoch unterscheiden sich die Forderungen: Die Linke will 10 €, die SPD beispielsweise 7,50€ … das scheinen im Detail nur kleinere Unterschiede, jedoch stellt sich bei den vielen Arbeitnehmern, die davon dann betroffen sein könnten die Frage, wie möchten die Parteien das finanzieren. Unterschiede, die der Wahl-O-Mat nicht anzeigt, ja gar nicht wiedergeben kann. Denn seine einzige Fähigkeit ist das Anzeigen von Tendenzen… Weiterhin werden auch die Gründe ausgespart, die die Parteien zu solchen Programmpunkten bewegen. So soll der Mindestlohn den unlauteren Wettbewerb der Löhne (Stichwort: Dumpinglöhne) beenden und den Unternehmern „verlässliche Regeln für einen fairen Arbeitsmarkt“1  zur Seite stellen. Mindestlohn vernichtet keine Beschäftigung, sondern – so die Argumentation – moderate Mindestlöhne befördern die Beschäftigung positiv. Dem kritischen Zeitgenossen wird auffallen, dass an dieser Stelle der Beweis oder zumindest das Argument fehlt, warum das passieren sollte. Warum schafft es das Festsetzen von Löhnen am unteren Rand der Einkommensspanne nicht nur Jobs nicht zu vernichten, sondern die Beschäftigungskurve sogar anzukurbeln? Ungeklärte Frage. Weder im Wahl-O-Mat und was noch schlimmer ist, auch nicht im Deutschlandplan Frank-Walter Steinmeiers oder auch dem Programm der Linken. Dabei ist es doch wichtig die Konsequenzen und Realisierungskonzepte von politischen Konzepten zu kennen.
Die Gegenseite argumentiert dagegen klassisch. Die Festsetzung von Mindestlohnen behindert den Wettbewerb und Arbeitgeber werden sich dreimal überlegen, ob sie ihr Unternehmen mit neuen Arbeitskräfte belasten, auch weil ja gerade in Deutschland die Lohnnebenkosten im Vergleich zum Ausland recht hoch sind usw. usf.

Es wird also klar, dass die Komplexität politischer Entscheidungen und Forderungen nicht abgebildet werden. Noch ein Beispiel. Der Rückzug aus der Bundeswehr aus Afghanistan. Die Mehrheit der Bevölkerung fordert diesen, wollte diesen Krieg nie. Nur die Linke fordert ihn als einzige Partei im Bundestag. Es ist leicht zu fragen, was Deutschland denn am Hindukusch zu suchen hätte, jedoch muss man sich auch die Gegenfrage gefallen lassen, was passieren könnte, wenn die Bundeswehr oder gleichsam die internationale Gemeinschaft sich zurückziehen würde. Afghanistan ist seit der Niederschlagung der Taliban und dem versuchten Wiederaufbau des Landes unter demokratische Flagge kein wirklich befriedetes und noch weniger ein stabiles Land. Es könnte nach dem Abzug der Koalitionstruppen zu einem wiedererstarken der Taliban kommen, ein mögliches politisches Chaos wäre denkbar. Auf jeden Fall stehen die Chancen auf Frieden in Afghanistan nicht automatisch besser, wenn die ausländischen Truppen abziehen. Zumal noch die Bedeutung des östlichen Nachbarn Pakistan als mittlere Atommacht hinzuaddiert werden muss. Pakistan ist den islamistischen Gruppierungen Afghanistans durchaus friedlich gesinnt. Man sieht also, dass der Fall nicht allzu einfach ist und ein Abzug der Truppen durchaus Raum für Diskussion lässt und unter verschiedenen Perspektiven gewertet werden muss. Es ist leicht im Wahl-O-Mat die These anzukreuzen, aber schwer die Konsequenzen aufzusuchen und zu bewerten.

Ein letztes Beispiel sollen die Bürgerrechte sein. Online-Durchsuchung, bundesweite Volksentscheide, kommunales Wahlrecht und Bundeswehreinsätze im Innern spiegeln dabei die Eckpunkte dieses Politikbereiches wieder. Aber allein ein Blick auf den alternativen Wahl-O-Maten des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung zeigt erneut, dass dieser Politikbereich durchaus komplexer gesehen werden kann: Neben Onlinedurchsuchung treten da Themen wie die neue Gesundheitskarte, die Überprüfung der Gesetze auf Verfassungskonformität als unabhängige Kontrolle im Vorfeld, Gesichtserkennung, Nacktscanner am Flughafen, Vorratsdatenspeicherung, Pässe mit Fingerabdruck usw. ufw. auf. Es ist also klar wie viele spezielle Subthemen beim Wahl-O-Mat der bpb unterschlagen werden und unterschlagen werden mussten, um überhaupt irgendwie sinnvoll zu sein. Neben dieser hier auftretenden Mehrfachkodierung durch Subthemen eines Hauptthemas wie Bürgerrechte stellen sich bei den Bürgerrechten ebenso die Fragen der Realisierung und Konsequenzen.

Es ließe sich dies vermutlich auf alle Thesen, Fragen bzw. Themen, die die Wahl-O-Maten verhandeln, ausweiten. Politik ist zwar schön vermittelbar durch markige kraftvolle Ausdrücke, hoffnunggebende Claims und klare Sätze. Jedoch nur vermittelbar – nicht unbedingt richtig, angemessen oder gar ehrlich. Man sollte immer berücksichtigen, wenn es so einfach wäre, dass ein Satz ausreicht, alles zu sagen; dann stimmt etwas nicht. Politik und Wahlkampf ist immer ein Hin-und-Her von Positionen, Ideologien, Ansichten, Hoffnungen zu deren Vermittlung kräftige Trauben herausgepickt und ins rechte Licht gerückt vorgelegt werden, währenddessen die knautschigen Rosinen gerne mal versteckt werden.

Die Wahlentscheidung sollte nicht vom ja oder nein zu bestimmten Thesen des Wahl-O-Matens abhängig gemacht werden. Vielmehr sollte er dazu dienen, mit dem großen Mysterium der Politik Kontakt aufzunehmen und anhand der vorgeschlagenen Themen ruhig auch für sich selbst weiterzurecherchieren, einfach mal das Hirn einsetzen und es sich selbst nicht zu leicht zu machen, dann ist auch der Wahl-O-Mat und jegliche Umfrage eine praktisches Tool im Vorfeld der Bundestagswahl.

UPDATE: Es gibt noch ein paar weitere kritische Stimmen zum Wahl-O-Mat – hier bei: Guardian of the Blind, der sich die Zeit nahm einzeln die Thesen und Fragen abzuklopfen.

  1. aus dem Deutschlandplan (pdf, 233Kb) von Frank-Walter Steinmeier []
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