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Kategorie: Internet (Seite 3 von 20)

delicious diigo

Es lässt mich nicht los. Was tun wir, wenn wir bookmarken? Speichern wir die Seite ab, um sie nur zu einem späteren Zeitpunkt wiederzufinden? Ist es wirklich nur der Versuch einer Abkürzung, um ein eventuell nerviges Suchen zu vermeiden? Schon möglich. Früher war das so. Ich legte mir ein Lesezeichen in meiner Lesezeichenleiste an, ein kleines buntes Favicon und ein Wort waren nun aufzufinden, verbanden mich irgendwie mit den Informationen. Bookmarks waren etwas Privates, gingen zunächst nur mich etwas an, erfüllten ihre Gedächtnisstütze, erleichterten das Ansurfen häufig besuchter Webseiten. Und dann kam del.icio.us.

Delicious brach mit der Idee, dass das Lesezeichen nur im Nachttisch im Buch steckten. delicious brachte uns plötzlich dazu, dass Buch an einem öffentlichen Ort liegen zu lassen. Im Park. Wo alle es sehen können, stehen bleiben vor einem Regal mit einem Haufen Lesezeichen, säuberlich sortiert und wenn die Passanten wollten, können sie mein Regal abonnieren und ich reiche ihnen sekündlich frisch meine neusten Funde und Interessen im Netz weiter. delicious schafft es so „eine genuin egoistische motivation […] in eine soziale Aktion“ umzuverwandeln. Wenn ich den Markus von hackr.de hier richtig verstehe, dann bleibt der Vorgang des bookmarkens streng genommen weiter eine private – gar eine egositische Handlung, die Vernetzung treibt es aber zu einer sozialen Aktion. Auch wenn der Vergleich etwas skrupellos ist, ähnelt das bookmark-Verhalten des Web 2.0 dem Hobbeschen Menschen im Natur- bzw. Kriegszustand. Mit seinem naturfundierten egoistischen Eigeninteresse – manifestiert im Recht eines Jeden auf Alles – treibt der Naturmensch sich zwar selbst in den Naturzustand, aber gleichzeitig wirkt der Egoismus wie ein Hebel, der ihn sozial macht. Die Einsicht des Individuums ist für dieses notwendig, um zu verstehen, dass Kooperation und Rechtsverzicht die einzig tauglichen Mittel sind, den Kriegszustand zu beenden. Der Egoismus macht, so verwirrend das auch klingt, sozial. Auch wenn der Vergleich an fünf bis sechs Stellen hinkt, verdeutlicht er ein Prinzip. Egoismen können so aneinandergereiht und geformt werden. In menschlichen, sozialen Gruppen entsteht somit etwas Neues – ein neuer Raum. Ganz automatisch. Ohne, dass wir das eh gemerkt hätten. Das ist die große Stärke von delicious. Es ist die aktiv-passive Community, die mit ihren egoistischen Speichertechniken, einen Trendfinder, eine Art Suchmaschine für das unbewusste Streben des Netzes kreieren konnte.

Fraglich ist, ob das den Gründern des Dienstes bzw. den heutigen Entwicklern oder – und hier fällt das Urteil sicherlich negativ aus – yahoo bewusst geworden ist. Verfolgt man nun die nun langsam verhallende Diskussion um delicious und social bookmarking wird meist angemerkt, dass es ein Web2.0-Urgestein Dienst ist, der als erster neben Flickr den Namen Web2.0 irgendwie verdient hat. delicious als die „altehrwürdige Bookmarkverwaltung“, die verdrängt wird von Tools wie instapaper, evernote, google reader kombiniert mit der google suche oder auch der Linkschleuder Twitter (darüberhinaus auch durch tabbed browsing). Diese Verdrängung impliziert eine grundsätzliche Veränderung des Konzeptes des „bookmarking“. Was wir wieder finden wollen, suchen wir offenbar lieber in Suchmaschinen, per twitter-hashtag und andere Kanäle. Die Relevanz von delicious kann somit weiterhin nur darin bestehen, ein Informationsregulator zu sein, der menschlich bewusst-unbewusst gesteuert verschlagwortet, ansammelt und weiterverteilt.

Aber jetzt mal Schluss mit diesen kreisenden Gedanken, um Relevanz und Mär des Social Bookmarkings. Ich nahm den sunset von delicious als Ausgangspunkt mal einen anderen Dienst auszuprobieren. Mein Wahl viel dabei nicht auf das visuell orientierte Zootool oder auch pinboard, sondern diigo. Der Massenexodus hat vermutlich viele Menschen zu anderen Diensten getrieben, vielleicht haben viele wie ich auch einfach ihre Bookmarks bei einem anderen Dienst importiert, ohne delicious ganz den Rücken zu kehren. Ein perfektes Ausgangspunkt anhand der Linie meiner Bedürfnisse die beiden Dienste – diigo und delicious – zu vergleichen.

Digest of Internet Information, Groups and Other stuff ist wirklich ein beschissener Name. Zumal man ohne Recherche gar nicht darauf kommt, was das heißen könnte: Diigo. Klingt wie ein amerikanischer Mex-Tex-Koch. Ist aber momentan einer der featurereichsten und technologisch umfangreichsten Bookmarking-Dienste im Netz.

Fangen wir mit dem offensichtlichen an: mit der Optik. Diigo ist kurz gesagt: absolut häßlich. Wirklich. So lieblos wie das Menü, Linkcontent und Navigation zusammengebracht werden, schliesse ich nicht auf ein durchdachtes UI-Konzept, sondern durch beständig entwickelte Kompromisse, die die häufig nachgerüsteten Features notwendig werden ließen. Delicious hingegen – auch wenn es vermutlich Gegenmeinungen gibt – wirkt subjektiv auf mich geordneter. Vielleicht liegt es an den Strichen, den dominierenden Farbtönen aus Grau und Blau und den durchdachten Mouse-Over-Animationen. Es ist stringent und vor allem darauf ausgerichtet, zu sortieren, zu archivieren und zu suchen.

Im Hinblick auf die Funktionen kann diigo alles, was delicious als Funktionen sein Eigen nennt, nur mit dem Unterschied, dass Diigo weit darüberhinaus reicht. Allein am Feature des Post-to-Blog wird das deutlich. Delicious kann automatisch täglich Links an ein vorher definiertes Blog senden. Alles, was bei delicious landet, wird automatisch weitergepostet – alle 24 Stunden. Diigo ist das feinfühliger. Nicht nur, dass es möglich ist Listen anzulegen (das nicht-ganz-Äquivalent zu den delicious-Bundles), sondern das Send-To-Blog-Feature ist vollständig steuerbar: Listen, alles, einzelne Einträge sind abwählbar, bevor man sendet sogar noch editierbar. Ja, das heißt auch, dass automatisch gesendet werden kann, aber auch eine manuelle Blogbefeuerung möglich ist. Dabei ist die Konfiguration dieser Funktionen keine Raketentechnik, sondern recht simpel. Es ist also verwunderlich, warum delicious an dieser Funktion über die Jahre hinweg nicht nachgebessert hat. Die Social Media-Integration ist beiden Anbietern nicht geglückt. Twitter klappt, der Rest muss über Plugins geregelt werden. Jedoch bleibt die Frage im Raum stehen, wozu man dies wirklich benötigt. Links gehen ja gleich ab in die Networks und werden nicht es archiviert, um sie erneut zu publizieren. Von daher… alles okay.

Gegen Geld ist es bei diigo möglich sämtliche Bookmarks zu cachen, was ehrlich gesagt, ungeheuer wichtig werden kann, denn oftmals verschwinden Inhalte hinter Bezahlarchiven (faz.net) oder werden vom Netz genommen.

Viel interessanter ist dabei das sogenannten Bookmarklet beider Anbieter. Während delicious schon vor Jahren mit seiner Firefox-Extension den Weg ging, sich in die Browserbookmarks einzufressen und sonst nicht viel Neues zu bieten hat außer eben das Bookmarken selbst mit Tags (bzw. automatisch erkannten Tags, description usw., will diigo an dieser Stelle mehr: neben dem klassischen Bookmarken (respeketive wie bei delicious) ist es möglich, Textstellen zu markieren, mit Notizen zu versehen und – siehe da – auch in Social Networks (twitter, facebook, GoogleBuzz, Email und diigo-Kurz-URL) weiterzuverbreiten.

Die Bookmarkverwaltung auf der Website selbst, ist bei beiden recht ähnlich. Ich sehe aber leicht Vorteile aufgrund der optischen Aufbereitungen bei delicious. Die delicious-Links sind bei diigo „Items“, bundles sind bei delicious tag bundles, während Listen bei diigo item-Listen. Diigo-Listen können noch einmal in sections unterteilt werden, gut für die eigene Stukturierung bzw. dem sortierten Weiterverbreiten in anderen Publikationen. Das Bearbeiten von tags klappt bei beiden Recht gut, optisch natürlich Pluspunkte für delicious. Einzig die Bearbeitung von Listen finde ich bei diigo gruselig: keine Masseneditierung, alles sehr behäbig. Auch das Hinzufügen einzelner Items zu mehreren Listen ist imho nicht möglich. Seltsam. Der workflow bei diigo ist somit ein wenig anders. Wer aber gleich zu Beginn des Bookmarking-Prozesses ein wenig mitdenkt, was seine eigene Sammel- und Archivierungstruktur anbelangt und auch gleich ordentlich taggt, wird schnell alles wiederfinden und im Nachhinein kaum etwas ändern müssen.

Ein wichtiger Aspekt – vielleicht der wichtigste, wenn man meine obigen Worte berücksichtigt, ist die Community bzw. das Network. Es gibt nichts Spannenderes als den bookmarking-Stream zu beobachten und aktuell das Denken der Nutzer nachzuvollziehen. Was ist wichtig, was ist hinreichend bedeutend, um abspeichert zu werden? Hier sehe ich für mich persönlich einen klaren Vorsprung für die delicious-Community. Das Recherchieren – obwohl technisch bei beiden Anbietern recht identisch – versorgt mich bei delicious mit den besseren spannenderen Ergebnissen. Es bleibt also in den nächsten Monaten wichtig zu beobachten, wohin die Entwicklung geht. Ich denke nicht, dass delicious sterben oder gar aussterben wird. Der sinnlose Massenexodus aufgrund einer kleinen Meldung, ist menschliche Hysterie, die sich vornehmlich im Web gerne bildet. Delicious als Urgestein des Web2.0 ist noch zu wichtig, um einfach abzutreten. Ich denke es wird sich schon en business angel finden, der unterstützt; der aber hoffentlich auch darauf besteht, die technologische Entwicklung voranzutreiben. Vor allem im Hinblick auf die Nutzbarmachung der/des „Wisdom/Bookmarking of  the crowd“. Denkbar wären zeitlich filterbare Resulate, endlich die Integration des Seiten-Cachings, eine spannendere Verzahnung der tags usw.

Momentan gibt es also nur wenig Gründe umzusteigen. Es sei denn man ist interessiert am Neuen. Diigo neben vielen anderen ein guter Kandidat. Vor allem, weil man durch das nette Feature „Save To Delicious“ beide Accounts bei diigo und delicious synchron halten kann, wenn man die Bookmarks zunächst im diigo abspeichert.

Die Mär vom Social Bookmarking

wordle-tag cloud based upon delicious tags by urbandesire
wordle by urbandesire/delicious-tags

Der Aufschrei war groß und hält noch an als gestern Abend eine inoffizielle Information in die Kanäle des Webs schwappte. Im Rahmen von – sagen wir mal grob – Umstrukturierungen plant yahoo die Schließung von delicious:

Part of our organizational streamlining involves cutting our investment in underperforming or off-strategy products to put better focus on our core strengths and fund new innovation in the next year and beyond.

Die Gründe gehen wie immer etwas unter. Das Marketing-Sprech sagt, wie zu erwarten war,  etwas von Neuausrichtung, Straffung des Portfolios usw. Der Hintergrund dieser Neuausrichtung und der somit beinhaltenden Abstoßung eines unprofitablen Dienstes folgt für mich aus der Analyse des Dienstes seitens selbst. Dessen so eingestandene Schwachstellen zum einen bei delicious selbst zu suchen sind als auch generell die Idee des Social Bookmarkings betreffen. Warum ersteren aber nicht von yahoo begegnet wurde, um damit eventuell auch die grundlegenden Probleme des Social Bookmarkings anzugreifen, erschliesst sich mir nicht.

Schwachstellen des delicious

delicious war der erste ernstzunehmende Social Bookmarking-Dienst, der wirklich die Bezeichnung „Webanwendung“ verdient hatte und schlug zu seinem Start 2003 bereits hohe Wellen. Vielen Menschen wurde zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich zum erstem Mal vor Augen geführt, was es mit Webanwendungen und dem später auftauchenden Begriff „cloud computing“ auf sich hatte und demnächst haben könnte.  Gleiches galt für die bis heute wunderbare Idee des „tagging“, das dem Ordner-System bis heute überlegen bleibt, wenn gleich es auch nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Jedoch ist es für so vieles grundlegend – folksonomy, gmail, hashtags – und gewann im Zuge von delicious und flickr an Popularität. Trotz dieses fast grandiosen Starts und der im Jahre 2005 stattfindenen Aquisition seitens yahoo ist es traurig, dass delicious nie den Sprung in das Social Web geschafft hat. Klar kann man fragen: Warum? Taucht doch in jeder Buttonsammlung, um Links weiterzuverbreiten, ein delicious-Symbol auf. Es scheint sich zu zeigen, dass bloße Allgegenwärtigkeit auf Newsseiten, Blogs und Social Networks, stetige Namensnennung als Web2.0-Anwendung und vormaliges Klassenprimusdasein als social bookmarking-Tool längst nicht ausreichen, um überleben zu können.

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Angriff der Kussmonster – Rückblick 3. Thüringer Bloglesung

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Zunächst einmal lag ja der Gedanke vor, die dritte Thüringer Bloglesung sollte vorrangig gar nicht so heißen, sondern wurde mottiert: </privat> – Netzliteratur. Leben im Hypertext. Okay, das war dann offenbar doch zu lang und zu komplex und thematisch vielleicht passend, jedoch spielten die damit verbundenen Gedanken eine eher untergeordnete Rolle. 3TBL ist einfach zu griffig und vielleicht in Thüringen und bei Bloggern und Zuhörern zu sehr tradiert. Seis drum.

BastiH teilte mir mit, dass wir mit knapp 80 Besuchern durchaus das Soll erreicht haben und diesen Bloggern, Lesern und Zuhörern wurde doch ein recht anständiges und facettenreiches Programm geliefert. Smikey begann nach einigen technische Anpassungen (Kabel, Kabelsalat, Entwirrrung des Kabelsalates, Wo kommt jetzt der Ton her, wo eigentlich das Bild und der für Jojo interessanten Einsicht das ein MacBook Pro und Windows Vista doch keine allzu zuverlässigen Partner sind) den Reigen. Seine Texte u.a. Schokopudding waren recht persönlich und so die beste Wahl für einen Auftakt. Genau das ist es doch, was neben all dem Klamauk und politisches Orientierung einen Großteil der Blogosphäre antreibt.

Anschließend folgte das Kolumnistenschwein (a.k.a Textspeier), der nach dem obligatorischen Hinweis auf seine spezielle Vortragsweise das tat, was er am besten kann: Den Menschen nehmen, ihn zur Toilette zu führen und anzuschreiben endlich mal reinzugreifen… ja verdammt so sind wir. Großartig. Wie immer. Weiterlesen

100000 ist dann doch eine große Zahl

Viele Artikel würden seit meinem ersten Aufruf geschrieben, viele Nachrichten und Stellungnahmen verlesen, es wurde viel diskutiert… noch sind die Kritiker nicht verstummt und die Mitzeichnerzahl bewegt sich auf die 100000 Marke zu. Deswegen kann ich nur raten und bitten sich mit den Argumenten auseinanderzusetzen. Diese können recht umfangreich ergooglt werden (Zensurula etc.) oder auch auf netzpolitik.org eingesehen werden. Für die Basisinformationen sollte zunächst aber erstmal dies genügen: zeichnemit.de Hier können alles Grundinformationen der letzten Wochen nachgelesen und auch weitere Hintergrund zur Epetition recherchiert werden.

Schön, dass es jetzt endlich auf urbandesire.de blinkt.

UPDATE: In der aktuellen Debatte gibt es zwei neue, kontroverse, interessante und doch recht gegensätzliche Artikel. Die Zeit nimmt mit Heinrich Wefing eine krude und für mich zum Teil nicht haltbare Stellung ein, indem sie sinnloserweise ideologisiert: Wider die Ideologen des Internets! (Artikel mit Ausrufezeichen sind immer mit Vorsicht zu genießen.) Christian Stöcker betrachtet imho das Problem differenzierter und sieht die Menschen des Portesbewegung nicht als eine anonyme Masse an, sondern versucht einen Wesenbereich abzustecken, den er als Generation C64 betitelt. Er will darauf aufmerksam machen, was im Namen der Politik schleichend für Grundrechtsverletztungen durch die Regierung begangen werden. Der sehr lesenswerte Artikel heißt: Die Generation C64 schlägt zurück.

cellu l’art – Livestream ab 15 Uhr

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