Ist das Internet nun funktional kaputt?

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Dies ist das Intro der letzten Sendung von mobilemacs und es wurde zusammengestellt aus kleinen Hörschnipsel der vorherigen Sendung, zu der Clemens, Tim, hukl, Roddi und co. über die bevorstehende, damals noch nicht vollends bestätigte Drosselung der DSL, VDSL und FIBER-Anschlüsse seitens der Telekom diskutierten (ab 1h:43min:00sec). Seit gestern ist dieses neue Geschäftsgebahren des Oligopolisten nun bestätigt.

Alle Flatrate-Tarife der Telekom werden letztlich zu Volumentarifen umgewandelt, insofern jeden Vertragsform ein entsprechendes Highspeed-Volumen pro Monat zugeeignet wird. Nach Verbrauch dieser scheinbar stattlichen Zahl (man sollte bedenken, dass es sich dabei um die Summe aus Down- und Uploads handelt), wird der Internetanschluss auf eine einheitliche Internetbandbreite und somit eine Geschwindigkeit von 384 Kbit/s reduziert.1

Hier mal im Überblick die entsprechenden Volumina zu den einzelnen Verträgen:

Tarif Datenvolumen
Call & Surf mit DSL 75 GByte
Entertain mit 16 MBit/s 75 GByte
Call & Surf mit VDSL 200 GByte
Entertain mit VDSL 200 GByte
Call & Surf mit Fiber 100 300 GByte
Entertain mit Fiber 100 300 GByte
Call & Surf mit Fiber 200 400 GByte
Entertain mit Fiber 200 400 GByte

Wie bereits erwähnt, kommt es nach dem Verbrauch dieser Kontingent zu entsprechenden Standarddrosselung, die aber begrifflich der Sache nicht nahe kommt. Surfte man vorher mit technisch möglichen 100 Mbit/s, kann eine Geschwindigkeitsreduktion auf 384kbit/s eigentlich mit einer Abschaltung des Anschlusses verglichen werden. So auch die Argumentation von Clemens im obigen Hörschnipsel. Ich glaube, viele kennen dieses Phänomen, wenn am Ende des Monats das Datenvolumen des Mobilfunkvertrages aufgebraucht ist, und man für den restlich Monat auf max. 64 KBit/s (Download) und 16 KBit/s (Upload) beschränkt ist. Gut und erträglich ist das nicht, aber wir als Konsumenten haben es leider durchgehen lassen und es zudem dem Mobilfunkanbietern im Allgemeinen erlaubt, dies auch noch Flatrate nennen zu dürfen.

Was kann man mit 384 kbit/s nun noch anfangen? Rein rechnerisch wäre Skype noch möglich (einfacher Anruf bzw. Videoanrufe (ohne High-Q und HD).  Aber was macht man, wenn ein zweiter Rechner, der des Partners oder der des Mitbewohners gleichzeitig im Netz sind und dort nur mal fix die die Emails überprüft oder nach einem Rezept für einen Pflaumenkuchen. Stoppt man dann man eben den Skype-Call? Richtet man sich jeweils individuelle Zeiten für die Internetbenutzung ein… wie damals zu Zeiten von Modem (56 kbit/s) oder ISDN (64kbit/s bzw. 128 kbit/s)? Meiner lebensweltlichen Erfahrung nach werden die meisten Internetanschlüsse, trotz der steigenden Zahl von Singleaushalten, geteilt: in Familien, in WGs, Firmen und Zweckgemeinschaften. Diese Engpässe sind mit der einheitlichen Internetbandbreite der Telekom vorprogrammiert.

Und auch hinsichtlich des Volumens von 15 bis 20 Gigabyte, das die Telekom für den durchschnittlichen Internetnutzer  bzw. ihren Kunden ausgibt, habe ich so meine Zweifel. Ich selbst habe in einem Zwei-Personen-Haushalt mit 6000er-Leitung einen Verbrauch im letzten Monat von knapp 90 Gigabyte gehabt – wäre somit schon in die Abschaltung hineingefallen. Und auch hier: Wenn ich mich meiner lebensweltlichen Erfahrung so zuwende und meine Altersgenossen, Bekannten, Kollegen und Freunde betrachte, scheine ich zwar in Teilen netzaffiner zu sein, aber bin dadurch kein brutaler Bandbreitenverschleißer geworden. Das heißt, im Vergleich bewegt sich mein Internetkonsum im guten Durchschnitt, was das Nutzen von Streaming-Angebote (dies sind ja die Brocken, die das große Datenvolumen hervorrufen) und das allgemeine Surfverhalten anbelangt. Und es sei angemerkt, dass ich und meine Partnerin einen großen Teil des Tages im Büro verbringen und den Anschluss der Universität benutzen.

Wie kommt also die Telekom auf diese Zahl? Wie wir es bereits bei den Volkseinkommen- und Reichtumsdebatten erlebt hatten, ist ein Durchschnittswert eine kniffelige Sache. 1. Welche Kunden meint die Telekom mit allen Kunden? Sind darin gar die Kunden enthalten, die kein DSL/VDSL/FIBER nutzen, sondern womöglich noch mit Analogmodem oder ISDN surfen? Diese drücken natürlich den Durchschnitsswert erheblich, da es mit diesen Vertragsarten überhaupt schwer wird an nur einem 1 Gigabyte zu kratzen. 2. Gibt es letztlich auch eine vermutlich nicht zu vernachlässigende Zahl an Kunden, die breitbandtechnisch hochgradig überversorgt sind. Dies aber nur, weil die Telekom (wie auch fast alle anderen Anbieter)  für diese entsprechend keine sinnvollen Tarife bereitstellt. Wer heute eine Festnetzanschluss will, will zugleich einen Festnetzflaterate. Diese kostet aber bereits knapp 30 Euro (Call Comfort) und ist somit nur gut 5 Euro günstiger als der günstigste Call-And-Surf-Tarif, der sowohl eine Festnetzflaterate als auch eine Internetflaterate beinhaltet. Natürlich wird der Kunde dann eher zum Komplettpaket greifen, auch wenn er mit eine Flatrate nichts anfangen kann, da er tatsächlich einfach kaum im Internet surft bzw. noch weniger bandbreitenintensive Inhalte konsumiert. Dieser Art Kunde, so hart das klingt, wird aber mittel- und langfristig aussterben und sollte für die Telekom, die auch in Zukunft ein funktionierendes Geschäftsmodell haben will, nicht die Richtschnur bilden.

Denn beobachten wird die aktuellen Entwicklungen des Internets als Technologie, so erkennen wird, dass alle Ampeln auf grün stehen, dass das Internet mit alle unseren Lebensgewohnheiten immer enger verzahnt wird: Komunikation, Informationsaustausch und vor allem Datenaustausch sowie Medienkonsum. Beispiel Kosum von Musik: Sie ist, wie Sascha Lobo richtig anmerkt, längst nicht mehr eine Frage von Festplattengröße, sondern eine Frage der Bandbreite geworden; Beispiel Datenaustausch: Dropbox oder GoogleDrive sind nur der Anfang. Die Tendenz komplette Backups zur Datensicherung ins Netz zu verschieben wird in den nächsten Jahren im wichtiger. Die Lebenswelt der Menschen verwächst also mit dem Internet und seinen Möglichkeiten sowie der Möglichkeit des Zugangs zu diesem. Menschen, die Briefe senden, werden verschwinden. Menschen, die 19:55 Uhr auf den Beginn der Tagesschau warten, verschwinden. Menschen, die Fotos ausdrucken und an Oma schicken, verschwinden. An ihre Stelle rücken Menschen, die es gewohnt sind, Medien – Film, Dokumentation, Serien, Radiobeiträge etc. – zeitsouverän zu konsumieren, dafür brauchen sie das Netz. Kaum eine Kamera macht heute noch ein Fotos mit unter 6 Megapixel, nahezu jeden Filmaufnahme – auch aus mit der privaten Kamera – ist in HD gedreht, um diese zu teilen, zu zeigen, braucht man Netz, Bandbreite und Datenvolumen. Forschungs- und Rechercheergebnisse finden sich zur kollaborativen soziale Arbeit an einem zentralen Ort im Netz um unter Echtzeitbedingungen in neues Wissen und neue Erkenntnisse transformiert zu werden. Dafür wird ebenfalls schnelles, zuverlässiges Internet benötigt.

Die Diagnose der Telekom, dass das Datenvolumen im Netz rapide zunimmt und noch rapider zunehmen wird, stimmt also. Und ihre gegenwärtige Reaktion darauf verwundert nicht. Es ist die Reaktion, die einem privatwirtschaftlichen Denken entspringt. Indem sie die Internetanschlüsse quasi außer Funktion setzt, wird die Folge entscheidend. Was passiert, wenn das Volumen nicht ausreicht? Der Kunde wird entweder überlegen, in einen höheren Tarif zu wechseln, der ihm mehr Volumen bietet – hierbei stellt sich aber das Problem, dass er dieses höher Volumen durch eine größer Bandbreite gleich wieder schwächt – oder er wird pro Monat draufzahlen und sich weiter „Highspeed-Kontingente“ kaufen müssen, um der einheitlichen Internetbandbreite zu entrinnen und seinen Internetnschluss wieder in Funktion zu setzen. Bei all dem gewinnt die Telekom: zum einen weil sie die dadurch dem Preiskampf um Internetanschlüsse im gewissen Sinne Einhalt gebieten kann (aufgrund des verzerrrten Marktes in diesem Bereich, ist es sehr wahrscheinlich, dass andere Anbieter nachziehen werden), letztlich den Kunden zu teuren Produkten nötigt und am Ende doppelt abkassiert.

Die Telekom sieht die Realität, kennt den Nutzer der mittelfristen Zukunft, der Bandbreite braucht, um zukünftig seinem täglichen Leben nachzugehen (dies impliziert auch, dass der Internetnutzer der mittelfristigen Zukunft Netzversorgung als ein elementarstes Gut betrachten wird, ohne das es letztlich gar nicht mehr geht und bereitet nun alles vor, um den maximalen Profit für sich daraus zu schlagen. Dass dabei Innovation, Bildung, die in Deutschland stark vom Einkommen abhängt, soziale Beteiligung als auch die Netzneutralität mit Füßen getreten werden, ist die notwendige und gefährliche perspektivische Konsequenz, einer Entwicklung, die mit dem Internet als Luxusgut für Nerds und Informatiker begann und sich gegenwärtig weiterentwickelt hat – zu einem Internet als elementares Grundgut des privaten und öffentlichen Lebens, gar Menschenrecht für den Bürger/Internetnutzer der mittelfristigen Zukunft.

Es ist zu hoffen, dass sich Protest regt und an dieser Stelle nicht alles dem verzerrten Kommunikationsmarkt überlassen wird. Es ist wichtig, dass der Bürger und somit auch der Gesetzgeber erkennt, welche Bedeutung ein stabiles, bezahlbares und gut ausgestattetes Internet in einer modernen Demokratie und Volkswirtschaft spielt und dementsprechend regelnd, sowohl moralisch als auch konkret handelnd, eingreift.

Man beachte bitte auch meine kleine Linksammlung von interessanten Beiträgen der letzten Tage zum Thema.

  1. Vgl. Pressemitteilung der Telekom []