Ich weiß noch genau wie es war. Es war Weihnachten. Draußen war es kalt und es wurde schnell dunkel. Der krümelige Schnee fiel immer noch auf eine novembrige Landschaft und durfte einfach nicht auf ihr Ruhen und musste zergehen. Irgendwie hatte ich in diesem Jahr auch keine Lust auf Weihnachten. Zum einen lag das vermutlich daran, dass bei solchen familiären Veranstaltungen stets gestritten wird. Zum anderen aber auch an meiner neuen seltsamen Einstellung zu Weihnachten.Ich arbeitete meine erste Weihnachtssaison bei Toys’R’Us und bekam als aler erstes mit, dass es bei Weihnachten nicht um das durch Fernsehen und Filme generierte glückliche Beisammensein geht, sondern um das rechtzeitige Besorgen von Weihnachtsgeschenken zu ordentlichen Preisen. Wenn das misslang, wurde jeder Mitarbeiter im Spielzeugfachdiscount zum individuellen Punshingball: “Ich schreibe das der Bildzeitung. Da können sie sehen, was sie mit ihrem verfluchten Dreck hier noch anfangen können.” Verkäufer: “Ja, es tut mir leid, dass wir die Lauflernhilfe “Stolpini” nicht in einer kleineren Größe haben, aber für solche Lauftrainer gibt es Standards der Hersteller, um es auch mit dem Alter des laufen lernenden Kindes abzustimmen und ihr Kind ist noch ein Säugling. Und unter 1 1/2 Jahren wird dieses Gerät nicht empfohlen und man muss sich immer – wenigstens grob – an die Vorgaben halten, um auch die Sicherheit des Kindes nicht zu gefährden.” Es folgten endlose Diskussionen darüber, was ich mich einmische und dass ich ihr nicht zu vorzuschreiben habe, wie ihr Kind sicher laufen lernt.

Aber auch, wenn Artikel nicht mehr vorrätig waren, brach die Hölle los: “Was! Wieso? Wieso ist das “Wer wird Millionär?-Brettspiel” einen Tag vor Weihnachten ausverkauft? Das kann doch nicht sein. Wir haben doch jetzt 10 Jahre Wende und ihr Stümper seid immer noch wie tiefsten Osten…!” Ich könnte jetzt an dieser Stelle erwähnen, dass ich als Person für das Fehlen dieser Brettspiele nicht verantwortlich bin, und auch den Markt selbst trifft keine Schuld. Vielmehr ist es ein Verhalten der großen Zentrale, die bestimmt, wohin Waren aus dem Lager gelangen. Und anhand der für alle Mitarbeiter bundesweiten, einsehbaren Abverkäufe könnte genau diagnostiziert werden, dass T’R’U-Märkte, die nicht im Gebiet der ehemaligen DDR liegen (Ausnahme bildet Berlin), durchaus mehr Ware und auch mehr “Wer wird Millionär?-Brettspiele” erhalten hatten. Ja das könnte ich sagen. Hab ich aber nicht. Hab mich nur entschuldigt und die darauffolgende verbale Verprügelung runtergeschluckt.

Seit diesen Tagen hasse ich Weihnachten ein bisschen. Und jeder, der mich mit Weihnachtsstimmung irgendwie anstecken will, muss sich Kommentare über den Weihnachtskommerz gefallen lassen, wenn wieder irgendwo ein Plüschrehntier auftaucht.

Aber was war das Besondere an diesem Weihnachten? Ich bekam als Geschenk die “O.K. Computer” von Radiohead. Ein Album, dass ich zu den wichtigsten in meiner Sammlung zähle. Die Bedeutung dieses Album war mir damals einfach nicht bewusst. Ich mochte schlicht diese Fragilität, dieses Verstörende, das, was Radiohead so anders gemacht hat. Ich möchte das verstörende von “Airbag”, dieses beängstigende, epochale von “Lucky”, die Stimme, die Frickeltöne… einfach alles. Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich zu diesen Klängen am Fenster saß, roch wie der Feiertagsbraten so langsam gen Fertigstellung zu Ende schmor und die kleinen, krümeligen Schneeflocken in der Kälte da draußen sah sie gen novembrigen Boden segelten, um dort angekommen, zu vergehen.

Jetzt jährt sich das Erscheinen der Platte zum 10. Mal. Und das feiert Stereogum mit einer kleinen Tribute-Compilation namens OKX, auf der sich u.a. die Cold War Kids, The Twilight Sad und auch John Vanderslice an eigene, aber immer stark an Radiohead angelehnte Interpretationen aller Songs des Albums heranwagen. Meine derzeitigen Lieblinge sind: John Vanderslice mit “Karma Police” und David Bazan’s Black Cloud mit “Let Down”. Meinen Liebling auf dem ursprünglichen Album “Exit Music (For A Film) hat Vampire Weekend durch den für mich zu schnellen Beat ein wenig verhunzt… seis drum. Nette Idee und tolles Album.

Das komplette Set gibt es hier zum Download.

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