Du stehst auf und deine Augen sind verklebt vom Salz deiner Tränen. Du reißt mit aller Gewalt die Wimpern auseinander, um überhaupt etwas zu sehen. Der Blick in den Spiegel offenbart die Qual und Leere der Nacht. Tonlos führst du die Zahnbürste in den Mund. Du bist allein.
Am Frühstückstisch liegen noch die Krümel vergangener Nächte auf dem Tisch. Sie leisten dir Gesellschaft. Dein Teller will sie beiseite schieben. Er schafft es nicht; er kann sie nur verdecken. Der Kaffee läuft schwarz in die Kanne. Gurgelnd, fasst verreckend füllt die Maschine die Kanne. Du wolltest den ganzen Morgen schon etwas aufschreiben. Eigentlich nur etwas gestehen. Du bist froh darüber, dass neben der Kaffeetasse kein Stift liegt, der dich nötigen würde, diese in sich gelogenen Fetzen auf deine Hand und deine Finger zu kritzeln. Alles, was du in den letzen Monaten aufgeschrieben hattest, waren Sätze, die ein Anführungszeichen als Vorbote trugen. Ausdruck deines Kampfes gegen die Planlosigkeit. Dabei merkst du nicht, dass dein Leben ein einziger Plan ist. Gefühlt mit Bahnfahrten, Fressstunden und ein wenig Geficke am Abend.
Dieses Leben ist zu einem System geworden, für das es keine Alternative gibt. Und wie immer, wenn es keine Alternative gibt, bleibt es so. Es ist unbeschreiblich beängstigend wie schnell das alles passierte. Vor wenigen Monaten dümpeltest du noch zwischen großen Träumen, unbeschreiblichen Augen, atemlosen Nächten und unendlichen Morgenden herum und heute sitzt du allein in einem kalten Raum. Die Hand auf deinem eigenen Bauch. Das Schlucken fällt schwer und wird nur möglich durch Kaffee. Immer wieder schiebst du diese schwarze Flüssigkeit in dich hinein in der Hoffnung danach nicht mehr derselbe zu sein. Doch all dies befindet nicht über deine Identität, es ist doch nur das gefärbte Wasser ohne Funktion.
In dir steckt keine feste Identität… nur noch Entitäten. Dies ist dir klar geworden, als du in den Spiegel oder in die Schaufensterscheiben dieser Stadt blicktest. Das bist nicht du. Zurückgefallen aus einer seienden Identität in eine sich ständig wandelndes, unspezifizierbares Dasein… jenseits jeglicher Skalen. Noch klarer wurde es dir als wildfremde Menschen deinen Zustand bemerkten und befremdlich die Lippen spitzten. Sie sprechen nicht mehr mit dir, sie nehmen dich wahr, glauben aber, nicht deine Sprache zu sprechen. Irgendwie stimmt das ja auch. Du bist vermutlich der einzige Mensch, der noch nicht mal seine innere Stimme versteht. Sie spricht in einer dir unbekannten Sprache. Manchmal des Nachts brüllt sie dich an und fängst im Schlaf an zu weinen oder schüttelst dich unter Tränen. Am nächsten Morgen habt ihr beide euch beruhigt. Nur noch deine Augen sind verklebt.