Der Blick hat sich geändert. Der Ausblick ist knapp 10 Meter weitergerutscht. Von einem Blick auf eine Straße ist er zu einem Blick auf eine Kreuzung geworden. Ein Treffpunkt für Autos, Menschen und Fahrräder.
Ich bin umgezogen. „Wgintern“ könnte man sagen. Und so zeigt sich, dass die Entscheidung nach meinem Umzug aus Lobeda, nicht gleich neue Möbel zu kaufen und irgendwo hinzuziehen, sondern erstmal sich selbst abwartend zur Zwischenmiete weiterzuziehen, die richtige war. So ist mir klar geworden, was die Wohnqualität zur Lebensqualität macht. Was will man und was will man nicht, wie will man Leben, was für Annehmlichkeiten braucht ein Zimmer, um darin zu hausen und es nicht nur als Abstell- oder Schlafkammer zu nutzen. Relativ schnell war es eigentlich klar. Es muss hell sein, es sollte eine Sitzgelegenheit – sprich ein Sofa – haben und mit klaren Farben und Linien arbeiten. Ein Sessel ist ein Muss und natürlich nochmals Lich, Licht, Licht.

Auf obigem Bild ist zu erkennen, dass die Primärfarben rot und weiss sind. Mit leichten Einsprengseln eines schweren graublau. Auch war bei der Konzeptionierung des Zimmers klar, dass auf Sperrmüll oder An- und Verkauf verzichtet werden wird. Egal wie häufig mich Bekannte und Freunde von den Vorteilen dieses Straßeneinrichtungshauses überzeugen wollen, war ich nicht bereit dafür. Ich mag Möbel nicht, die von der Straße kommen. Die anderen reizt die Patina, das Gelebte der Möbel – für mich sind sie nur Sperrmüll.
Klingsor verfasste vor einigen Jahren mal eine Analyse über die möglichen Einrichtungsvarianten. Was sagt dein Zimmer über dich aus. Ich bin dabei jetzt nicht gut weggekommen. Meine „ikeaischen Stilplacebos“ sollen über meine noch mangelhafte Individualität hinwegtäuschen. Soweit so gut. Alternativorschlag zur Individualitätssteigerung wäre: Möbel selbst bauen. Soweit kommt es noch.
Aber lassen wir das. Der Schwachpunkt an Klingsors Artikel, der ihm wegen seiner soziologischen Kühle einfach mal verziehen sei, ist das Ausblenden des entscheidenden Faktors des Wohlfühlens. Es kommt nicht darauf an, Wohnlichkeiten auf eine gewisses Level der Individualität zu heben, sondern einzig, ob das Zimmer das Gefühl ermöglicht gerne nach Hause zu kommen. Dass das ikeaische Stildiktat nur Bedürfnisse schüren will, die den Traum vom schönen und glücklichen Wohnen erfüllen sollen, ist klar – jenseits dessen, kommt es einzig auf das Gefühl an, dass sich durch die Sehnsucht kennzeichnet, schnell nach Hause zu kommen, wenn die Wohnung nur noch wenige Schritte entfernt, schnell den Schlüssel ins Schloss zu rammen, die Treppenstufen hinaufzugleiten und in die Sphäre der eigenen – wenn auch nur diktierten – Individualität einzutauchen, sich wohl zu fühlen und das Sofa samt Bettkante mit der Zimmertür zu einem Reich zu verbinden, dass in hellem Licht dem Dunkel der Welt trotz.
Hey und manchmal ist es nicht schlimm zur Zielgruppe eines schwedischen Großkonzerns zu gehören, dessen Marketingmaßnahmen offenbar anschlagen – sei es auch nur aus dem verdeckten finanziellen Motiv.