Es ging hier lange nicht mehr um Musik. Eigentlich ging hier lange überhaupt nichts mehr. Schade eigentlich.
Eine meiner absoluten Lieblingsbands, die ab 2000 lange Zeit mein Leben bestimmt haben, waren die Smashing Pumpkins. In einem Ferienlager erhielt ich ein Mixtape – darauf waren neben vielen schönen Songs von Bush und den Foo Fighters auch »Today« und »Disarm« vom 1993er Siamese Dreams-Album der Smashing Pumpkins.
Es traf mich damals wie ein Schlag. Zurück aus dem Urlaub versuchte ich jedes Songs der Band habhaft zu werden und arbeite mich durch das komplette Werk. Zeitweise kannte ich jedes Album, jede B-Seite. Besonders das Album Siamese Dreams hatte es mir angetan. Aber ich liebte auch Live- und Acoustic-Versionen der Songs, die ich monatelang mit einer 56k-Leitung nachts im Internet auftrieb. Für einige Zeit gab es in meinem Walkman später CD-Player nichts anderes – sprich ich war ein echter Fan. Es ist schwer zu beschreiben, was die Songs, die bis 2000 auf den Platten der Band erschienen, mir bedeuteten. Doch ich wurde Fan zu einer Zeit, als die Band kurz vor der Auflösung stand oder bereits aufgelöst war und konnte einige Jahre nur aus der Konserve des Plattenschranks leben.
Rückkehr an einen Ort, den es nicht mehr gibt
Ab 2007 fand sich die Band in verschiedenen Konstellationen wieder zusammen und brachte regelmäßig neuen Musik heraus. Doch nichts resonierte in mir. Egal ob Zeitgeist, Oceania, Mounments to an Elegy, Cyr, Atum und was da sonst in den gut 17 Jahren an Platten veröffentlicht wurde. Es gab immer wieder einzelne Songs, die herausstachen, kurz ins Ohr gingen, aber nichts, was dauerhaft berührte. Und so produzierten Sie Album für Album, aber der Sound der Gitarren, der überbordende Einsatz von Synthesizern und nicht zuletzt Billys Gesang fehlt ein wenig das Momentum, der Biss. Mir scheint es so, dass es mit seiner Musik an einen Ort Anfang der 1990er Jahre zurückkehren möchte, der so einfach nicht mehr existiert.
„Siamese Dream“ ist keine Sammlung von Songs, sondern eine Sammlung von Tropen—Gitarrenhelden, majestätische Streicher, dröhnende Hallen, streunende Melodien, quälende Harmonien—arrangiert und dargeboten mit einem Spiel von Licht und Schatten, das die Erinnerungen und Sehnsüchte von Generationen anspricht. (Quelle)
Ich nehme das Fazit dieses Beitrag vorweg. Auch mit dem neuesten Album, Aghori Mhori Mei, das eine selbsterklärte Rückkehr zu den Wurzeln der Band (mutmaßlich Gish, Siamese Dreams und Mellon Collie) gelange ich nicht an den Ort, den die Pumpkins mal für mich bedeuteten. Aber vielleicht an dessen Ortschild. So nah kamen Sie dem noch nie. Wer das besichtigen will, kann sich mal den Opener Edin (via soundcloud) oder des fantastischen Pentagrams (obwohl es auch durchaus Anleihen vom 2014er Tiberious hat).
Ich musste Mitte Dreißig werden, um das erste Mal in meinem Leben wirklich eine eigene Wohnung zu beziehen. Als persönliches Projekt hatte ich mir vor meinem Umzug in diesem Jahr vorgenommen, mein neues zu Hause, mein Home-Sweet-Home, nicht nur sweet, sondern auch ein wenig smarter zu machen. Hauptidee, wenngleich auch unnützer Luxus, war es, Musik unterbrechungsfrei in (fast) allen Räumen hören zu können. Die Vision: Schlaftrunken vom Bett in die Küche zum Kaffee und dann gleich wieder trokelnd ins Wohnzimmer, um sich es sich dort langsam niederlassend auf dem Sofa bequem zu machen – dieser morgendliche Auftauprozess beispielsweise sollte von den morgendlichen Lieblingsaufwachsounds oder zumindest dem Radio umsäuselt werden.
Das Paradoxon der Wahlmöglichkeiten
Als ich Anfang des letzten vorletzten Jahres begann, mich mit dem Thema Multiroom und Streaming-Lautsprechern zu beschäftigen, war der Markt bereits voll von verschiedenen Anbietern und Lösungen, die alle ihre Attraktivität hatten, aber natürlich je nach Anbieter auch Vor- und Nachteile mit sich brachten.Vor allem das Bekanntwerden von Smart-Speakern, die letztlich nicht einzig dem Multiroom-Gedanken gewidmet sind, hat durchaus Vielfalt in den Markt gebracht. Es tummelten sich mit Hersteller wie Sonos, Raumfeld (heute Teufel), Denon mit der Heos-Produktreihe, Sony viele Hifi-Firmen im Markt, die Gesellschaft bekamen durch Google, Amazon, Apple und kleinere Anbieter wie Riva, Urbanears, Eton
Jeder Wettbewerber werkelte an seinem eigenen Lock-in-Effekt. Manche unterstützen auch Bluetooth oder unterstützten sogar Apples Airplay und boten sich entsprechend auch an, die Geräte zur Tonausgabe beim Sehen von Filmen und Serien zu nutzen (Denon, Sonos, Riva); einige bieten Akkupacks, damit der Streaming-Lautsprecher auch mobil genutzt werden kann (Denon, Riva); wieder andere hatten über die übliche Spotify-, Soundcloud-, Tidal-, etc.-Konnektivität hinausgehend auch Googles Chrome Cast an Bord (Raumfeld, Riva, Sony, Urbanears), wieder andere stammten noch aus eine Zeit, in der das Smartphone noch nicht der Dreh- und Angelpunkt der Welt war und boten sogar etwas Exotisches wie Desktop Apps (Sonos).
Dadurch sah ich mich mit einer komplexen Kaufentscheidung konfrontiert. Wäre ich vermutlich einige Jahre früher auf die Idee gekommen, mich mit dem Thema Multiroom und Streaming-Lautsprechern zu beschäftigten, dann wäre aus Ermangelung an Alternativen meine Wahl sicherlich auf Sonos gefallen. Denn Sonos hatte bereits um 2010 mit dem Sonos S5 sowie den re-gebrandeten Play:5 und später dann dem Play:3 und Play:1 das erschlossenste System auf dem Markt und sind heute mit dem Sonos One (dem imho optisch attraktivsten Streaming-Lautsprecher Smartspeaker) zurecht Marktführer unter den WLAN-Boxen (ja, nicht unter den Smartspeakern).
Aber gut, 2010 ist nicht 2018/19 und heute ist der Markt dann schon ein wenig komplexer. Und da man ja stets, vor allem wenn es darum geht, einen größeren Batzen Geld auszugeben, auf der Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau ist, die eine nachhaltige Lösung darstellt und wenig Folgekosten verursacht, fand ich den Kauf eines Multiroom-Systems schon herausfordernd. So ein simpler Streaming-Lautsprecher kostet in der einfachen Variante mindestens gut 200 Euro und bei 4-5 auszustattenden Räumen sowie einigen weiteren Kriterien kommt da letztlich schon einiges zusammen.
Diese Überlastung bei Kaufentscheidungen begegnete mir immer wieder – Möbelkauf, Matrazenkauf, Mixerkauf. Seltsam, unsere Konsumgesellschaft… Ich erinnerte mich an das von Barry Schwartz skizzierte Paradoxon der Wahlmöglichkeiten, bei der trotz großem Freiheitsversprechen durch umfangreiche Auswahlmöglichkeiten, die eigentliche Wahl verflucht schwierig wird und letztlich zu einer Lähmung führt, die unglücklich macht. Die im verlinkten TED-Vortrag von Schwartz angeführte Episode des Kaufs einer Jeans trifft den Kern des Problems ganz gut (ab Minute 12:14):
„Wollen Sie schlanke geschnittene, leicht anliegende oder weite? Wollen Sie Knöpfe oder Reißverschluss? Stein oder Säure gewaschen? Wollen Sie eine Jeans mit Löchern? Möchten Sie unten weit geschnitten, kegelig, blah blah blah …“
So unglücklich einen das machen kann und vermutlich Konsumverzicht bzw. Minimalismus vielleicht die sinnvollste Antwort darstellt, half es mir im konkreten Multiroom-Desaster durch einen klaren Kriterienkatalog der notwendigen Bedingungen für die Anschaffung Sinniges von Unsinnigem zu trennen. Ich rechnete hin und her, überlegte, was ich benötige. Blieb dann aber trotzdem leicht unsicher, wofür ich mich entscheiden sollte. Frei nach Schwartz: Menschen, die immer möglichst das Beste finden wollen, sind fast so unglücklich wie Depressive. Das Paradoxon der Wahlmöglichkeiten eben.
Der Kriterienkatalog
So ein Kriterienkatalog ist natürlich immer nur eine Momentaufnahme eines Nutzungsprofils und unterliegt der steten Wandlung. Ich kann für mich aber sagen, dass sich im letzten Jahr zumindest nicht viel verändert hat. Was also waren und sind die Anforderungen?
günstige Hardware: 4-5 Räume im Multiroom-Modus abdecken – und dies möglichst kostengünstig ohne brutalen Login-Effekt
Stereo-Receiver: Einbinden eines bereits vorhandenen Stereo-Receivers, um möglichst günstig einen Raum bereits abdecken zu können (möglichst kostengünstig)
Streamingdienste: als Hauptstreamingdienst nutze ich im wesentlichen Spotify sowie ab und an auch mal soundcloud. Also nix Exotisches. Perspektivisch wäre es aber auch schön den Anbieter wechseln zu können, ohne dabei sämtliche Hardware austauschen zu müssen
Radio hören, um vor allem deutschsprachige Sender (Deutschlandfunk/Nova) am Morgen zu lauschen
Podcasts sind ein ganz wesentlicher Teil meines täglichen Medienkonsums. Neben den Pendlerstrecken zur Arbeit höre ich Podcasts wahnsinnig gern als Hintergrundbeschallung beim (Haus)arbeiten in der Wohnung. Multiroomfunktionalität mit durchaus verschiedenen Apps (gegenwärtig vor allem PocketCasts) ist somit ein absolutes Muss.
Nice-to-have, aber nicht vordergründig entscheidend sind:
Laptop: Sound auch direkt vom Laptop an alle Boxen streamen
Mobilität: Lautsprecher auch mal mobil mit Akku für die Terrasse nutzen
Smart-Speaker: Perspektivisch wäre es schön auch einen Sprachassistenten (egal ob jetzt Alexa, Siri oder Tante Google) zur Steuerung nutzen zu können.
Bei einigen Kriterien machte ich mir wenig Sorgen. Spotify gehört zur Standardausrüstung jedes Lautsprechers und auch mit TuneIn ist das Radiohören ab Werk stets bereits dabei – egal ob Raumfeld, Sonos, Heos, Yamaha, Bose, Sony usw. Schwieriger wurde es dann schon mit der Podcast-App auf dem Smartphone. Letztlich schien dies die größte Hürde in der lustigen Multiroom-Welt. Airplay war lange nicht Multiroom-fähig – zumindest zum Zeitpunkt meiner zentralen Kaufentscheidungen (Ende 2017). Im Prinzip gab es da lange Zeit nur eine einzige Lösung: Google Chromecast. Sowohl der Client auf dem Telefon als auch der Lautsprecher müssen das Google-Protokoll unterstützen, damit es funktioniert. Später wurde zumindest Pocket Casts auch von Sonos direkt in ihrer unterstützt, aber Mitte/Ende 2017 sah es schlecht aus. Einzig Downcast und Pocket Casts unterstützten bereits Chromecast und somit Multiroom. Apps wie Castro und Overcast haben aus bestimmten Gründen bis heute keinen Support dafür.
Einbinden von Vorhandenem
Man ahnt es bereits. Aber es gibt noch einen weiteren eher finanziell gelagerten Grund, der mich zu einem System respektive Lautsprechern tendieren ließ, die Googles Chromecast unterstützen: das Einbinden eines vorhandenen Stereo-Receivers. Fast alle Hersteller bieten hierfür einen sogenannten Connector an. Nur sind diese Geräte wahnsinnig teuer: Sonos Connect 399€, Teufels Connector 199€ 129€, Heos AMP 300€… Google bot jedoch mit dem Chromecast Audio für knapp 30€ (Gerät leider eingestellt) ein wundervolles kleines Gerät, das es auf einfachste und günstigste Weise ermöglichte, meine Stereoanlage plus Boxen multiroomfähig zu machen.
Die Entscheidung Chromecast zum wesentlichen Merkmal aller Anschaffungen zu machen, war auch von der Idee getragen, einen Google Home Mini für knapp 30 Euro als Badezimmer-Lautsprecher zu nutzen. Gerade in diesem Raum schien mir exzellente Soundqualität nicht zwingend erforderlich. Aber noch etwas sprach für Chromecast. Es ist ein Protokoll, dass von mehreren (und ich hoffte von zukünftig noch mehr) Lautsprecherherstellern implementiert wird und ich somit insgesamt mehr Auswahl an unterschiedlichen Geräten diverser Preiskategorien haben würde. Denn Chromecast findet sich bei Sony, Riva, Teufel, Urbanears sowie diversen High-Fi-Herstellern, die den ein oder anderen Lautsprecher im Angebot haben.
Mit meinem erstmaligen Invest von ca. 250 Euro (Teufel One S, Chromecast sowie Google Home Mini) gelang es mir auf anhieb drei Räume abzudecken. Die Entscheidung für den Raumfeld One S fand ich einzige Zeit recht gelungen, nur um dann festzustellen, dass beim Nachfolger, dem Teufel One S, Chromecast herausgeschmissen wurde und stattdessen jetzt auf ein (Multiroom-!?)Bluetooth gesetzt wird. Auch die Tatsache, dass Google den Chromecast Audio mittlerweile eingestellt hat, lässt mich an der Nachhaltigkeit meiner Entscheidung langsam zweifeln. Zwar habe ich mit Google und den Android-Usern immer noch etwas Wucht für das Protokoll in der Hinterhand, aber Google ist letztlich dafür bekannt, Dingen schnell den Garaus zu machen, wenn sie nicht mehr zur Strategie passen. Auch kann man natürlich darüber streiten, ob ich nicht letztlich denselben Login-Effekt unterliege, nur nicht bei Sonos oder Denon, sondern eben bei Google. Trotzdem: der Preisvorteil und die momentan noch große Vielfalt an unterschiedlichen Geräten waren vorerst das entscheidendste Kriterium. Dies bedeutet auch, dass am Ende, wenn die Strategie nicht aufgeht, dann doch noch nicht so viel Geld verschleudert wurde.
Riva Arena – der Geheimtipp
Wer jetzt richtig gezählt hat, der kommt auf drei Räume. Und ja, später entschied ich mich noch für den Kauf eines Riva Arena, um dann auch den vierten Raum einzubinden. Dieses Gerät ist vermutlich auch auf dem absteigenden Ast. Der Preisverfall ist atemberaubend. OVP war lange Zeit 269€. Heute gibt es das Gerät für gut 130€ oder auch schon weniger. In Deutschland hatte als stationärer Handel die Firma Medimax das Gerät für eine Weile im Vertrieb. Es wurde aber mittlerweile aus dem Sortiment genommen, da es sich vermutlich gegen all die Sonos Ones oder Apple Homepods nicht durchsetzen konnte. (Tipp: Medimax-Filialen sind auf ebay recht aktiv und dort bekommt man zur arg reduzierten Preise noch die alten Restbestände verscherbelt). Schade eigentlich, denn das Gerät ist wirklich recht spektakulär. Nicht das allerschönste, aber ein wahres Ausstattungsmonster, denn man erhält für seine 130 Euro nicht nur Chromecast, Bluetooth samt Airplay 1, Klinkenanschluss, USB-Anschluss sowie Stereo-Paring, sondern vom Klang her stellt der Arena viele andere Boxen, wie z.B. auch meinen Teufel One S, ziemlich in den Schatten und ist für mich absolut auf dem Niveau des Branchenprimus Sonos Play:1 – ich mag es etwas basslastiger. Absoluter Killer ist jedoch, dass man für gut 60 Euro einen separaten Akku erhalten kann, der das Gerät zudem mobil macht. Wahrlich eine eierlegende Wollmilchsau. Bin gerade noch am überlegen, ob ich nicht noch einmal irgendwo zuschlagen sollte, denn amazon führt das Gerät gerade für 109€ (Stand: 20.05.2019).
Fazit
Nun gut… knapp 400 Euro später gibt es Multiroom in den entscheidenden Räumen. Musik funktioniert, Radio funktioniert, Podcasts funktionieren, die alte Stereoanlage ist mit dabei und im Schlafzimmer kann man sich den Kinoklassiker mit ordentlichem Riva Arena-Gewummer anhören. Ein wenig ist der Plan aufgegangen. Mit dem Standardvorgehen wären 4 Räume für unter 400 Euro nicht zu haben gewesen. Auch die Diversität ist im Prinzip gewährleistet. In jedem Raum arbeitet ein anderes Gerät (Bad: Google Home Mini, Küche: Raumfeld One S, Schlafzimmer: Riva Arena, Wohnzimmer: Stereoanlage mit dem Google Chrome Cast Audio) mit je eigener Charakteristik. Aber dank des Chromecast Protokolls arbeiten alle wirklich tadellos zusammen. Keine merklichen Verzögerungen, alle sprechen recht flott an und ich empfinde es bis auf einige Kleinigkeiten sehr problems. Auch die Geräte selbst sind recht stabil. Bis auf einen ausgetauschten Riva Arena, der einfach seinen Geist aufgab, ohne dass Service und Verkäufer einen Grund finden konnten, arbeiten nach ca. 1 1/2 Jahren alle Geräte weiterhin tadellos.
Trotzdem bleibt das ungute Gefühl der mangelnden Zukunftssicherheit. Wie bereits erwähnt, hat sich Teufel von Chromecast verabschiedet, Googles Chromecast Audio-Dongle wurde ersatzlos eingestellt, die Zukunft des Riva Arena bzw. von Riva allgemein ist auch ungewiss. Es bleibt einem letztlich nichts anderes übrig als zu hoffen, dass der ganze Kram ne Weile hält.
Bis heute wunderschön. Vor allem wenn am Anfang des Albums bei Untitled die gesamte Band im mollig-wolligen Ton gemeinsam einsetzt. Unsterblich. Obgleich ich mich niemals zwischen den Editors und ihrem ebenso fantastischen „An end has a start“ – auch schon wieder 10 Jahre alt – und Interpols „TOTBRL“ sowie „Antics“entscheiden möchte. Alles wundervoll gealterte Platten.
Es gab hier lange nichts mehr zum Thema Musik – keine wirren musiktheoretischen Essays und die letzten Rezensionen zu Platten stammen auch aus dem Jahr 2011. Doch heute ist ein Tag, an dem es sich wieder lohnt. Pünktlich zum Frühlingsanfang ist die neuste Platte von Ólafur Arnalds For Now I Am Winter in den Läden, den Online-Stores und auf den bekannten Download-Plattformen aufgeschlagen.
Früher trafen mich Platten ja meistens unvorbereitet, aber seitdem die Künstler auch ganz gerne Mal aufallenSocial-Media-Kanälen feuern, kann man erstens eine Neuerscheinung kaum noch verpassen und zweitens eine adäquate Vorfreude und Erwartungshaltung aufbauen. So einige Informationen werden dann wohldosiert gestreut – hier etwa die Hintergründe zum This Place was a Shelter oder auch, da Arnalds ja jetzt quasi erstmals auf einem Major erschienen ist eine Single plus Video.
Aber mit der Erwartungshaltung ist das ja so ein Sache. Gerade bei Ólafur Arnalds. Seine Musik ist nicht nur weit weg vom Mainstream, sondern muss auch kategorial anders behandelt werden als das neue Album deiner Electric Superdance Band. Trotz aller teilweisen elektronischen, post-rockigen und teilweisen indiepoppigen Einschübe, handelte es sich bei Arnalds einzelenen Werken stets um klare definierte Instrumentalmusik, bei der entweder das Klavier umsäuselt wurde mit elektronischen Klängen oder kammermusikalische Streicherarrangements den Ton angaben. Innerlich hatte ich das Gefühl, dass diese Konstellation nie ausgereizt werden kann, da ich auch beispielsweise nicht müde werden, die noch stärker bis ausschließlich auf das Piano konzentrieren Werke von Ludovico Einaudi zu hören. Doch bei den letzten Veröffentlichungen spürte man meiner Ansicht recht deutlich, das Arnalds kein großes Interesse hatte, an dieser an sich funktionierenden Konstellation etwas zu ändern. Einschneidend empfand ich dann 2012 die Kooperation mit Nils Frahm. Logischerweise rückte die Electronic mehr in den Vordergrund – zwar immer noch getragen von den Streicherarrangements – aber eben konzentrierter.
Vielleicht ist ja von diesem musikalischen Ausflug etwas hängen geblieben. Auf jedenfall bemerkt auf For Now I Am Winter einige Neuerungen. Die auffälligste ist vielleicht: es gibt Gesang. Richtig, da singt jemand. Es ist Arnor Dan, Sänger der frisch gegründeten Band Agent Fresco. Nicht mein Fall. Aber gut. Die zweite Neuerung, die dann doch recht fix auffällt, ist das die Arrangements opulenter geworden sind. So beginnt der Opener Sudden Throw wie gewohnt nur um sich nach knapp 1:30 Min. in orchestrale Höhen aufzuschwingen. Dies bedeutet aber nicht Orchester anstatt der typischer Kammermusik. Denn im zweiten Song Brim werden diese Elemente unter einen für Arnalds Verhältnisse recht zackigen Beat miteinander verwoben. Ich finde das äußerst gelungen.
Auch der Song Reclaim ist ein mustergültiges Beispiel für diese musikalische Horizontöffnung. Mit dem Zusatz, dass auch noch Gesang zu hören ist. Beeindruckend ist für mich auch das Neuarrangement von This Place Was a Shelter, das als eher kurzes Outro bereits auf der Living Room Songs EP zu hören war und eine beeindruckende Metamorphose durchgemacht hat und vielleicht neben Only The Winds zu den stärksten Songs des Albums gehört.
Als Fazit kann man nur sagen, dass es sich bei For Now I Am Winter vielleicht um das viellseitigst und somit auch bisher beste Album von Ólafur Arnalds handelt. Denn die Erweiterung seiner bisherigen musikalischen Spielart durch stärker hervortretende elektronische und rhythmische Elemente sowie die wunderbar eingeflochteten Orchesterabschnitte sind äußerst gelungen. Nichts verdeckt sich gegenseitig, spielt sich gegenseitig aus, sondern geht eine wundervolle bis imposante Symbiose ein. Die Elemente besiedeln einander und verstärken sich. Einzig der Gesang ist wie bereits erwähnt nicht mein Fall. Das liegt aber vermutlich nicht an der Tatsache, dass mit gesanglichen Parts an sich experimentiert wurde, sondern vielmehr an der mir nicht zusagenden Stimme von Arnor Dan.