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Kategorie: Allgemein (Seite 2 von 76)

Own Dropbox Cloud

Aus der Kategorie: Post-Later. Habe diesen Entwurf vor gut 3 Jahren geschrieben, aber nie beendet. Doch das, was darin steht, gilt unverändert heute noch. Updates gibt es obendrein zum Thema Cloud-Speicherlösungenprobleme für Anfänger Fortgeschrittene. 

Wenn man von Dropbox eine Email bekommt, dann hat man diese selbst herausgefordert. Indem beispielsweise eine App authorisiert werden will, in der Dropbox herumzufuhrwerken. Vor ein paar Tagen (also Zeitblase: vor ein paar Tagen vor ziemlich genau drei Jahren) flog aber eine unaufgeforderte Email ins Postfach. Mitteilung war, dass der verdiente Speicherplatz durch die Teilnahme am Space Race 2013 ab Anfang März 2015 wieder von einem genommen wird.

Ziel war es damals, so viel wie möglich Angehörige seiner eigenen Universität (Studierden, Promovierende, Dozenten, ja sogar Mitarbeiter) dazu zu bewegen, am Space Race teilzunehmen und etwas mehr Schatten-IT in die Service-Wüste Universitätsinfrastruktur Universitätsinfrastruktur mit bwSync&Share, GWDG Cloud etc. basierend auf dem Service von PowerFolder zu bringen. Je mehr, desto besser der Score und desto mehr zusätzlichen Speicherplatz gab es: Prestige und Speicherplatz.

Als Angehöriger der Universität Tübingen gab es damals 15 GB (maximal möglich waren damals, soweit ich mich erinnern kann, 25 GB). Das war schön. Ich promovierte zu dieser Zeit in Tübingen im Rahmen des Graduiertenkollegs Bioethik und klatschte die Dropbox mit all meinen erworbenen, gescannten und generierten PDFs zu, syncte sie durch die Welt und über die Devices. Perfekt, das digitale Buchregal mit knapp 10 GB Daten in der Cloud. Von jedem Gerät überall erreichbar. Das war schön. Jetzt (also Zeitblase: jetzt vor drei Jahren) ist das vorbei. Ich verdrängte und vergaß, dass dieses Geschenk nach gut 2 Jahren wieder von mir genommen wird. Vermutlich nahm ich damals an, dass nach zwei Jahren Dropbox ein erneutes Geschenk bereithält und den Speicherplatz einfach stehenlässt. Falsch gedacht; Weg ist er.

Marketing at its best

Leicht perfide aber auch geniale Taktik: Die Leute in die Dropbox hineintreiben, indem ihnen viel Platz zur Verfügung gestellt wird; das ganze dann zwei Jahre sich verstetigen lassen und anschließend diesen durchaus liebgewonnenen Speicherplatz wieder nehmen – sicherlich mit dem Ziel die Leute vom einem Abonnement zu überzeugen.

Man könnte mich auch mit dem Abo an sich überzeugen. Ich wäre gerne bereit zu zahlen, aber: es ist zu viel und zu teuer. Man bedenke: Entweder 2 GB for free (Aufstockbar auf bis zu 16GB durch Einladungen etc. – aktuell bei mir ca. 8,88 GB) oder dann gleich 1 TB (1000 GB) für momentan 99 Euro jährlich.

Diese Grafik von Dropbox versinnbildlicht ein wenig das Problem. Die Verhältnisse stimmen überhaupt nicht. 2 GB zu 1000 GB (1TB). In der Grafik gleich zweimal nicht. Screenshot von: dropbox.com

2GB for free und der nächste Schritt gleich 1000 GB für gut 100 Euro jährlich? Kann man das nicht etwas feingranulierter gestalten. Oder lohnt es sich nur so? (“…the company spent far too much time and energy chasing a non-existent consumer opportunity…”) Wer um Himmelswillen, außer im professionellen Dateischieberbereich, Teams und Agenturen, braucht 1TB in der Cloud? Ich verstehe ja den rundlos sorgenfrei Ansatz, aber mal ehrlich… Thema Breitbandausbau … wieviele Monate soll ich in Deutschland veranschlagen, um 1000 GB in die Cloud zu laden. Oder anders: 1000 GB impliziert, dass auch große Dateien gesynct und abgelegt werden sollen. Dies scheint mir bei all unseren Wald-und-Wiesen-Internetserviceprovidern einschließlich der Telekom einfach nicht sinnvoll machbar. Über Mobile will ich an dieser Stelle gar nicht sprechen.

Wieso nicht nur 30, 60 oder zumindest 100 GB für einen entsprechend vernünftigen Preis? Ich sehe ein, dass Storage nicht die alleinige und eigentliche Leistung ist, die da bei Dropbox verkauft wird… Smart Sync, Steuerung der Freigaben, Portfolio und vieles mehr … Korrektur: für diese neuesten und feinen Features muss man in den dopplt so teuren Professional-Tarif wechseln: 1000 GB für gut 200 Euro jährlich. Wie auch immer: Für mich geht das in dieser Konstellation einfach nicht. Obgleich ich natürlich die ganzen neuen Features wirklich total anregend finde.

So überlegte ich (ja, Zeitblase: damals vor drei Jahre) ein wenig und stellte fest, dass ich ja bei meinem Webhoster – der euch auch dieses sporadisch befüllten Blog ausliefert – bereits für meine ganz persönliche Partition einer Festplatte im Internet zahle. 60 Euro für gut 100 GB 200 GB und unbegrenzter Bandbreite und das im Jahr. Davon werden gerade mal 6 GB durch Website-Daten genutzt. Warum diesen freien Platz nicht ausnutzen, wo er denn schon mal bezahlt ist?

ownCloud

Meine präferierte Lösung sollte, wie sicherlich viele die paar letzten verstrahlten Leser dieses Blogs erahnen, ownCloud werden. WebDAV und all solcher Spaß funktioniert leider nicht richtig oder ist dann doch zu unbequem.

OwnCloud2-Logo.svg

Im Prinzip ist ja ownCloud die kleine Dropbox für den Hausgebrauch und zum Selberbasteln. Viel soll ja auch angeblich nicht zu tun sein, wenn man die Datenbank einmal angelegt. So denkt man. Die Dateien sollen ja nur zwischen den Geräten gesynct seinen bzw. ab und an mal geteilt werden, was sich bei ownCloud im Webinterface recht einfach (sogar mit Passwortschutz …!!!… ) erledigen ließe. Eine aktive Entwicklercommunity ist obendrein auch noch dabei, was sicherlich eine solide weitere Entwicklung verspricht.  Aber…

Drei Jahre später. Weder Version 7, 8, 9 noch 10 von ownCloud haben mich überzeugen können. Ohne wirklich Kenntnisse und Zugriffe auf den Server bleibt das alles ein Basteln und Geiere und der Traum einer günstigen eigenen Dropbox-Alternative, da der Speicherplatz doch eh da ist, nur ein Wunsch. Weder habe ich das Gefühl, dass ich die ownCloud gut und sicher nach außen schützen, noch dass ich bei Fehlern jedweder Art angemessen reagieren kann. Schlimmer noch sind jedoch Updates der ownCloud-Installation selbst, die nie funktioniert haben und immer eine Neuinstallation nach sich zogen. Das Herumsuchen in englischsprachigen Communityforen, warum das jetzt nicht klappt, synct oder diese oder jene Fehlermeldung kommt, macht(e) mich wahnsinnig.

Absolutes K.O.-Kriterium und vielleicht der größte Vorteil kommerzieller Cloudanbieter ist jedoch der Schutz vor Datenverlust durch die Bereitstellung von Backups und Versionierungen. Mein Webhoster teilte mir in der Vergangenheit bei anderen Vorfällen bereits mit, dass ich mich jederzeit selbst um meine Daten und die Datensicherheit zu kümmern habe. Bei Datenverlust durch eigenes Verursachen – was sicherlich sehr weit ausgelegt wird – gibt es keine Möglichkeit ein Backup (kostenfrei) einzuspielen. Bevor jetzt irgendwas passiert und ich (noch mehr) Frust habe, lass ich das dann lieber mit der ownCloud. Mir fehlen einfach die ausreichenden Kenntnisse, es ist nicht so einfach wie WordPress oder ähnliches.

GoogleDrive

2018: In der Zwischenzeit habe ich mich dazu entschieden, meine Dateien in den Schlund von Tante Google zu werfen. Dort gibt es das nette Angebot von 100 GB für 20 Euro im Jahr. Genau mein Fall und absolut ausreichend. Ein okayes Webinterface und mit Insync gibt es auch einen schmalen aber flotten Client (Krypto möglich, aber umständlich), um die Dateien zu syncen. Dies rundet das derzeitige Setting ab. Auch wenn jetzt Google alles weiß, was ich so lese. Was soll man tun? Finanziell: Da ich jetzt aber etwas mehr eigenes Geld verdiene, ist dies dann doch nicht mehr allzu schmerzlich. Vielleicht nur noch Schade. Die Dropbox mit ihren gut 9  GB gibt es auch noch und ist der alltägliche Allrounder. Letztlich aus dem Grund, weil weitverbreitet, hübsch und  mehrgleisig fahren ist sowieso gut. Zusätzlich musst dann noch ein iCloud-50-Gb-Abo her, um für ca. 12 Euro im Jahr die Fotos und Backups der Apple-Geräte zu verwalten. 🙁

Hier noch eine offenbarende Übersicht:

  • 200 GB Speicher durch den Webhoster / Jahr = ca. 60 Euro (6 GB leider nur genutzt)
  • 108 GB GoogleDrive / Jahr = ca. 20 Euro (40 GB belegt)
  • 50 GB iCloud / Jahr = ca. 12 Euro (leider quer zum Workflow derzeit 24 GB belegt)
  • 8,8 GB Dropbox / Jahr = 0 Euro (davon 6,9 GB belegt)
  • beruflich 50 GB GWDG-Cloud = 0 Euro (davon 30 GB belegt)

Gelernt: Man kann einen Blogeintrag auch nach drei Jahren beenden.

 

Industrieschnee

(Aus den Archiven… Entwurf vom 1. April 2016)

„Man muss es aushalten. Irgendwann wird es besser.“ Manchmal verfluche ich es, dass es so einfach ist, diese Sätze auszusprechen und damit einem vermeintlichen Tipp an andere zu geben, wie man mit Einsamkeit umgehen soll. Wenn jedoch wieder die Dämonen in einem selbst hochsteigen, gerufen von dem tagelangen Nebel, der das Haus umgibt, der durch die Fenster hineinkriecht, der die Wärme des Zimmers überwindet und sich eisig um dein Herz legt, ja, dann ist es genau dieser Moment, in dem die Routine und die Geduld, die diesen eben genannten Sätzen innewohnt, der Panik des Alleinseins und der Einsamkeit weicht.

Realistisch betrachtet habe ich recht schlechte Chancen, der Einsamkeit zu entkommen. Schrittweise immer weiter in den Süden geschlittert, Zelte abgebrochen und nie zurückgewandt. In jeder Stadt, in der ich lebte und liebte, habe ich Freunde oder Bekanntschaften zurückgelassen, die ich nicht und die mich nicht mehr besuchen und bei denen es nach all der vergangenen Zeit schwierig, wieder aufeinander zuzugehen. Menschen, die ich neu kennenlerne, warne ich schon immer vor: ich habe ein soziales Aufmerksamkeitsdefizit, das sich auch auf Menschen, die mir eigentlich am Herzen liegen, ausdehnt. Reibt man sich nicht mit einer gewissen Beständigkeit in meinen Alltag ein, verliere ich die Menschen aus dem Blickfeld, auch die, die ich liebte, die mir am Herzen liegen oder die mir wichtig sind. Die Augen werden taub. Das Ohr verstummt. Die Stimme blind. Trotzdessen bin ich traurig diese Menschen verloren zu haben. Seltsam.

Wir hatten dieses Thema nun schon öfter hier. Ich stelle mir dir Frage, ob sich das Gefühl der Einsamkeit wandelt… mit der Zeit. Fühlt sich Einsamkeit mit der Zeit, nicht weil sie länger andauert, sondern weil man selbst älter wird, anders an? Ist dies möglich? Etwa deswegen, weil man als Erkenntnis der Vielzahl zerschissener Beziehungen mitgenommen hat, dass es manchmal gar nicht so einfach ist, Nähe zuzulassen und sich den Menschen, die man mag oder liebt, vollumfänglich und ehrlich zu widmen.1 Die Einsamkeit, die mir hier vorschwebt, ist eine sehr duldsame Einsamkeit, die stoisch akzeptiert und sich selbst in den Alltag einpreist. Man selbst arrangiert sich mit ihr, kokettiert auf eine gewisse Weise damit, die kurz davor steht, Mitleid bei anderen dafür einzufordern: „Der einsame Held brödelt vor sich hin.“ Das ist dann schon fast attraktiv, meint man.

Doch dann trifft man neue Menschen. Und ich erwische mich dabei, wie ich versuche, die Einsamkeit zu verbergen. Es scheint, dass Einsamkeit an dieser Stelle plötzlich und noch deutlicher zu einem Makel des eigenen Fehlgehens wird. Ein Mal der eigenen Unfähigkeit oder Asozialität, die die soziale Attraktivität unter Null sinken lässt. Die Einsamkeit erscheint als etwas, dass das Unglücklich sein vor Augen führt. „Was hast du Freitagabend eigentlich gemacht?“ Die Antwort „Youtube-Videos bis halb elf und danach facebook-google-stalking alter Bekannter von Grundschule bis Jetztzeit. Alkohol war auch Teil davon…“ ist dann nur noch der Offenbarungseid, den man tunlichst vermeiden sollte. Der innere Selbstdarsteller schreit dich dann auch an: „Sag wenigstens, dass du was gelesen hast. Roman, Sachbuch, egal… Hauptsache lesen!“ Natürlich sind Aktivitäten, Hobbys und Interessen Teil eines gesunden Soziallebens. Doch gibt es auch Menschen, die sich verkriechen. Menschen, die aus der Vielzahl der Möglichkeiten, die sich ohne Weiteres, unglaublich günstig und schnell realisieren lassen, einfach nicht wählen können. Menschen, die sich trotz großem Tatendrang am Morgen, am Ende des Tages eingestehen müssen, nur minimale Erfolge herbeigeführt haben, was das Großziel des Couchverlassens angelangt.

Ich weiß nicht, ob es nicht letztlich ein Verkriechen vor der Welt ist? Einfach weil man mit deren Vergnügungssucht nicht zurechtkommt, die stets weitereilt von Ereignis zu Veranstaltung. Oder ob, es ein Fehlen am Menschen ist, die einen Mitreißen, die einem die Augen öffnen für die Schönheit einfach am Leben zu sein und zu leben?

  1. Und jetzt bitte nicht mit dem Gurkenargument kommen, dass wenn man jemanden wirklich liebt, sich dieser Zustand des beständigen Widmens, in-das-Leben-einbauen und Zusammenseinwollens ganz von allein einstellt… meine Erfahrung, nicht nur an mir selbst, zeigt, dass dem schlicht und ergreifend einfach nicht immer so ist. []

Fremdheit

237HVielleicht geht es vielen so? Berlin erscheint auch nach wiederholten Besuchen zunächst als fremd, als seltsam riechender lärmenden Raum, der – teilweise erbaut auf Müll – seine große Klappe niemals halten kann und in immer bunteren Sprachen rumort und blubbert. Es ist ja nun gottseidank nicht so, dass ich genötigt wäre in dieser sich zu wichtig nehmenden Metropole leben zu müssen. Ich komme alle paar Jubeljahre mal vorbei und steuere spionagenhaft – still und lautlos – durch ihre (kulturellen) Versorgungsadern. Man will ja nicht vollgesuppt werden. Bedächtig achtet man darauf in den S- und U-Bahnen nicht allzu häufig mit zugekniffenen Augen aus den Fenstern zu starren, wenn der Zug in die Bahnhöfe einfährt. Denn ein echter Berliner, also jemand der da offenbar länger als ein halbes Jahr lebt, merkt sich die Ansagen oder hört diese als Bestätigung eines Wissens, dass er bereits besitzt. Der Touri und die Fremden starren aus den Zügen und kriegen hochrote Köpfe vom Aufspringen, wenn die Zielbahnhof erreicht ist und der Ausstieg droht.

Ja, droht. Denn hier wartet die nächste Herausforderung: Geht man nun nach links oder rechts? Verlässt man den Bahnsteig zum Anschluss oder zum Ausgang in die eine oder in die andere Richtung? Auch wenn es Schilder gibt, so schnell ist der Fremde nicht orientiert und muss anschließend doch wieder eine Richtungskorrektur vornehmen. Achtet doch einfach mal auf die verwirrt umhersteuernden Fremden in den Bahnhöfen der Stadt, die sich wie eine seltsame Erkrankung durch das Gewebe eines Körpers strauchelt.

Doch trotz all der Befremdlichkeit rutscht man in dieser Stadt erstaunlicherweise so schnell in die Phase der Vertrautheit, die im Wesentlichen aus einer Haltung reinen Desinteresses besteht. Es ist einem schlicht alles egal, genau wie den anderen hier, die mit dir durch diese Stadt laufen, fahren oder neben dir an irgendeiner Ecke sitzen. Die Leute sehen hier schon im Durchschnitt so fertig, bescheuert oder verwirrt, übertrieben, pompös, grandios oder heldenhaft aus, dass man sich wegen der eigenen Anwesenheit und Teilnahme am Leben der Stadt eigentlich keine Gedanken machen muss. Man kann Jogginghosen zu wirklich jedem Anlass tragen, man kann sich zu jedem erst einmal komisch benehmen oder seltsame Dinge verlangen. Alles in dieser Stadt ist schon eingepreist. – – Wenn man nicht gerade mit einem eintattooweirden oder blutig eingeritzten Hakenkreuz auf der Stirn daherkommt, muss man sich eigentlich um Nichts Sorgen machen (vermutlich stellt auch Letzteres den Durchschnittsberliner vor nur wenig oder gar keine Akzeptanzprobleme).

Nun gut, ich war aus der Provinz im Südwesten in den Nordosten, in die Metropole gekommen. Dabei hörte ich Geschichten, die mich an meine Begegnung mit der Metropole erinnerten. Fremdheit und deren Überwindung. – Eine gute Freundin tut sich auf diversen Dating-Portalen um. Nach Jahren der Einsamkeit, in denen eben nicht so viel ging, war sie fast gepackt von einem Fieber zwischen Chatting, Dating und der nächsten wilden Geschichte im Bett. Vielleicht übertreibe ich, aber ich hatte das Gefühl, wir sprachen fast ausschließlich über diese neuen Entwicklungen. Von Dates, die mit seltsamen Sprüchen begannen, ironiefreien Chats, bei denen sie intellektuell völlig überlegen war, und schnellen und schmutzigen Treffen, bei denen zwischen digitalem Kennenlernen und der ersten körperlichen Nähe nur wenige Stunden oder Tage vergingen.

Ich hing an ihren Lippen, aber eben anders als die anderen. Die ganze Zeit fragte ich mich, wie sie diese Fremdheit überbrückt und in den Modus der Nähe gelangt. Vermutlich ist diese Frage eigentlich naiv. Wir sind ein soziales Wesen und ein nicht zu verachtender Teil und Wesens ist darauf ausgelegt, zu kooperieren, Nähe zu suchen und Verbindungen zwischen uns und den anderen zu detektieren. Aber in diesem Moment fragte ich mich wirklich, ich der seit über zwei Jahren keine Nähe mehr hatte, ob man diese Mauer bestehend aus Fremdheit auch nur für einen kurzen Moment überwinden kann, ohne hemmungslos sich selbst zu verlieren. Wie wird aus einem Chat-Gesicht mit kurzen Sätzen ein Treffen zum Ficken oder gar noch mehr?

Was meine Freundin da berichtete, war für mich schon mehr als eine Herkules-Tat. Denn hier wurden nicht nur seelische Masken entrissen, sondern auch Kleidungsstücke herabgezogen, die beide jeweils für sich eigene Wahrheiten hervorbringen, die im städtischen Alltag sonst gut gehütet sind. Interessant finde ich vor allem die zwei Begriffe von Nähe, die sich abzuzeichnen scheinen.

Auf der einen Seite die mechanische Nähe. Hier kommt die Biologie zum Zuge, denn es zeigt sich, dass für den reinen körperlichen Akt die Biologie einige Vorkehrungen getroffen hat, um zum Vollzug zugelangen, ohne dabei ernsthaft wirkliche Nähe des Typs II zuzulassen, den ich umschreiben würde als eine emotional-intellektuelle Nähe. Wiederum scheint es auch eine ganze Reihe von Dates zu geben, die langwierig den Typ II umspielen und lange Zeit oder gar nicht zu Typ I gelangen. Sicherlich gibt es auch Zwischenstufen, aber die in keinster Weise repräsentative statistische Auswertung der Treffen offenbart einen „bi-stabilen“ Ausgang der Treffen. Entweder Typ I, bei denen die Treffen nicht annähernd in die Reichweite einer emotional-intellektuelle Nähe gelangen. Oder aber Typ II, bei denen erst nach langer Zeit eine mechanische Nähe zugelassen wird.

Aus all dem folgt keine Erkenntnis für mich in diesem Text. Die Gründe für diese Beobachtung kann sich jeder selbst denken. Dies vor Augen geführt zubekommen, hinterlässt bei mir nur einen offener Mund gefüllt mit Erstaunen. Und ich finde diesen Moment, indem Fremdheit zu Nähe wird, einfach nur interessant. Es ist ein Kippbild menschlichen Sozialverhaltens. Deswegen finde ich folgendes Fotoprojekt so interessant, das sich diesem seltsamen Moment widmet, immer wieder versucht sich diesem zu stellen und ihn festhalten will:

“In my work titled „intimate strangers“ I suggest randomly chosen strangers to have an intimate acquaintance. I take photographs with them in their private space; their living rooms, bedrooms, bathrooms, back yards, and any place that’s scorched with their personal memory. I request that they look at me, think about me, and remember me. The encounter is singular and short, and harbors a sensation of its infinite possibilities, a unique and magical moment overpowering the everyday stale and automated existence. In every encounter I stage an intimate moment, an artificial acquaintance.”
initimate stranges

aus: intimate strangers1

  1. Für Bilder auf der Projektseite auf next klicken []

links for 2016-01-02

Pete und Pete

Vor ein paar Tage bei Vox.com einen spannenden Beitrag gefunden. In den USA hat Nickelodeon offenbar damit begonnen, alte Shows aus den 90ern erneut auszustrahlen. Und da sind sie wieder die Erinnerungen: Rockos modernes Leben, Doug, Hey Arnold!, Ren&Stimpy, Rugrats, Clarissa und viele viele mehr und … vor allem Pete und Pete. Bevor es das Internet gab, also bevor es Internet für mich gab, was letztlich bis 2001 (!) dauern sollte, war das allnachmittägliche Zappen nach der Schule durch die Cartoon- und Kinderserien der Sender heiliges Ritual und lieb gewonnenes Ritual.

Man müsste aus heutiger Sicht mit der nun inzwischen angeeigneten Vernunft all diese Serien noch einmal sichten, um vielleicht zum ersten Mal zu erfassen, welche pädagogische Raffinesse in ihnen lag und somit welche pädagogische Relevanz diese für meine eigene Entwicklung hatten. Und damit meine ich jetzt nicht irgendwelche popkulturellen Referenzen oder irgendwie geartetes Fakten nahe kommendes Wissen. Es geht mit vielmehr um das, was man für gewöhnlich moralisches Wissen oder auch moralische Kompetenz nennt. Also all das, was – etwas böse ausgedrückt im Elternhaus und in der Schule zu kurz kommt, da die Hektik des Alltags eine intensive Aneignung dieses Wissens verhindert. Was ist gut? Was ist böse? Wie verhalte ich mich richtig bzw. konkreter welches Verhalten muss ich an den Tag legen, um von anderen bzw. einer moralische Gemeinschaft gewertschätzt zu werden. Der findige Leser erkennt an dieser Stelle natürlich eine Überlegung, die unter anderem von Richard Rorty vorgebracht wurde und der ich im Wesentlichen zustimme.

„Die Lektüre […] von Romanen kann es Lesern ermöglichen, ihre Vorstellungskraft von den Scheuklappen zu befreien, die ihnen Eltern, Lehrer, Sitten, Gebräuche und Institutionen angelegt haben, und auf diese Weise ein höheres Maß an Individualität und Eigenständigkeit erlangen.“?1

Streicht aber an dieser Stelle den Roman oder die Literatur… oder besser erweitert diesen eben auch mit Fernsehserien, Filmen etc. Wie dem auch sei… interessiert eh‘ keinen. Irgendwann speiste dann auch unser heimischer Kabelanbieter diesen seltsamem „Kindersender“ mit dem orange-weißen Logo ein. Und die oben genannten Serien bereicherten meinen Nachmittag. Meiner Mutter war das ein Dorn im Auge, sollte ich doch nicht den ganzen Nachmittag fernsehen, lieber Schulaufgaben machen oder lernen und wenn schon nicht das, dann wenigstens raus und vor die Tür gehen und mich ein wenig bewegen. Nachvollziehbar finde ich diese Wünsche wenigstens. Eine Serie möchte ich aber ein wenig herausheben: Pete und Pete. Immer wenn die ersten paar Takte des Opening Themes der fiktiven Band Polaris anlaufen, dann fühle mich in eine quasi unbeschwerte Zeit zurückversetzt, in der alles möglich, obgleich vieles verboten war und genügend Zeit existierte, die noch neue und so wundervolle Welt zu entdecken. Kindheit halt:

https://www.youtube.com/watch?v=WY_3uxzkoV4

Warum hebe ich diese Serie so heraus? Für mich war Pete & Pete eine der ganz wenigen Serien, bei der die gerade formulierte Erkenntnis, dass mit dieser Serie mein moralischer Kompass, mein Verständnis von gut und schlecht, von akzeptablem oder auch überbordend richtigem Verhalten herausgebildet wird, bereits damals deutlich vor meinen Augen stand. Ich spürte das als Kind bzw. sehr junger Erwachsener, dass diese Serie trotz ihrer teilweisen strangeness, die mit Belanglosigkeiten aufgefüllt wird, einen fetten moralischen Kompass hat, der manchmal deutlicher oder manchmal auch nur durch die Zeilen der Protagonisten hindurch deutlich wird.

Die reflektierte Art des Eltern Petes – quasi erwachsen – das Verhalten, die Fehler, die Gefühle und Sorgen seiner Umwelt, d.h. seiner Familien, seiner Freund, Bekannter und Fremder zu beschreiben und einzuschätzen imponierten mir. Auch das am Ende, was man heute vermutlich als „zu platt“ empfinden würde, immer kleinere Lehren, die zu verbesserten Weltzuständen führen würden, wenn wir sie alle beherzigen würden, ist ein unglaublich wichtiges Feature der Serie. Somit: Jedem sei sie ans Herz gelegt. Kauft euch die DVD oder durchforstet das Netz nach Folgen. Lohnt sich.

 

 

  1. Rorty 2003, 50 []
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