Low expectations are a good strategy.
Ja gut. Ich führte vor einiger Zeit mit guten Freunden eine Gespräch über „Lebenseinstellungen“. Die Abstraktheit des Themas führte dazu, dass vermutlich aller untereinander aneinander vorbeiredeten. Hat doch jeder mit seinen knapp über zwanzig Jahren schon so viel innerliche Festigkeit ausgebildet, dass eine eigene Lebenseinstellung schon zum persönlichen Inventar gehört. Doch konnte man bei der Vielzahl aller Konzepte ein Schneise durch den Raum schlagen. Es überwogen positive Vorstellungen von Fortschritt, Weiterentwicklung und Selbstfindung. Die andere Fraktion sprach mit Vokabeln wie Enttäuschung, Sinnlosigkeit und einem ewigen Kampf gegen Windmühlen… grob zusammengefasst: scheint sich die Welt schon im kleinen der eigenen Existenz in gut und schlecht – positiv und negativ – zu teilen.
Ich selbst schmiss dann für mich die überstrapazierten Begriff Optimismus, Pessimismus und Realismus in meine Argumentation ein. Es war eine Freude den Satz auszusprechen: Ich bin Realist, deswegen Pessimist. Irgendwie ging der Streit wieder von vorne los… „Man kann doch nicht alles schwarzsehen…“, „Es gibt doch Sonnenschein und Regentropfen – irgendwann man macht jeden so etwas glücklich…“
Ich denke Glück hat mit dem ganzen Diskussion nichts zu tun. Auch ein pessimistischer Mensch – der Schwarzseher unter den rationalen Lebewesen – wird Glück verspüren und weiß das auch zu schätzen. Es handelt sich vielmehr um eine Gabe der Voraussicht, die dem verklärten Blick der hyperoptimistischen Mitmenschen zahlreiche, kalte Schultern zeigt. Die Negation und das Negieren der Dinge kommt hier der Aufgabe gleich alles in der Schwebe – im Gleichgewicht zu halten. Ein Gegenpol zu bilden. Man spricht oft davon, jemanden auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Der Optimist leidet an einer eklatanten Realitätsverklärung, einem innerlichen Abwenden und Verdrängen und dem ständigen Versuch auf gutes zu fokussieren. Der Pessimist hängt der Wirklichkeit an, doch seine Deutung ist nicht ein Abwenden, sondern ein hinsehen und ein Missmutiges akzeptieren. Aus der Konfrontation beider Positionen bzw. Deutungen entspringt der Zwist.
Letztlich bleibt aber nur eines. Was man daraus macht. Da es schlicht nicht hinnehmbar ist, dass die Welt mit ihrem Geschichten und Geschehen einen Zwischenort von Optimismus und Pessimismus darstellt, obliegt alles nur der von der Realität ausgehenden Deutung des Daseins. Und die muss jeder für sich selbst finden und akzeptieren.
Irgendwann war dann das Bier alle…
07.02.2008 at 12:06
Das Sein bestimmt dann das Bewusstsein, ja? 🙂
07.02.2008 at 14:21
Ein Genie
Heute hab ich im Zug einen
genialen Jungen
kennengelernt.
Er war ungefähr 6 Jahre alt,
saß direkt neben mir,
und als der Zug an der Küste
entlangfuhr
sah man das Meer
und wir schauten beide aus dem
Fenster
und sahen das Meer an
und dann drehte er sich
zu mir um
und sagte
„Das is nich schön.“
Da ging mir das zum
erstenmal
auf.
Bukowski
08.02.2008 at 10:23
Deine Bukowski-„Sucht“ macht mir Angst… okay ich halte gegen und unterstütze deine These:
Glück
Es ist eindeutig, dass mit dem Glück etwas nicht stimmt. Jeder strebt danach. Alle versuchen es zu beschreiben, versuchen es zu leben. Spielen – haben Glück. Lieben – spüren Glück. Wir verstehen Glück als etwas Besonderes, da es uns scheinbar so selten trifft. Unser ganzes Leben ist darauf eingerichtet. Wir haben Lotterien erfunden, um in das Glück ein System einzubauen… viele unsere Taten sind ungewiss und werden scheinbar durch den Zufall des Glücks bestimmt. Glück macht glücklich.
Doch weit gefehlt. Glück ist nichts anderes als eine krankhafte, psychische Störung. Im Prinzip zeigen alle Auswüchse dieser geistigen Anomalie daraufhin, das es eine schwere Affektstörung ist, die unverständlicherweise von uns als positiv aufgenommen wird. Glück ist statistisch gesehen: anormal, was sich durch den seltenen Tatbestandes dieses Zustandes beweisen lässt.
Ebenfalls ist festzuhalten, dass sich Glück als besondere Symptomgruppe darstellt, welche eine Vielzahl von kognitiven Anomalien umfasst, die sich auf eine definitive Störung des Zentralnervensystems zurückführen lässt. Leider besteht das Problem, dass Glück als positiv empfunden wird. Leider.
(frei nach Philip Roth)
08.02.2008 at 14:18
ich wollte dich nur behutsam an den großen mann heran führen und fand dieses gedicht passend zum eintrag. trotzdem empfinde ich glück als einen sehr hübschen zustand und will ihn gar nicht hinterfragen. wenn er biologisch als anomalie zu verstehen ist ähnlich einer psychischen störung, bitte. trotzdem versüßen mir glückliche momente den alltag, ich freue mich, kann rumkichern und mich besonders fühlen. das ist besser als jeden tag vom aufstehn bis schlafengehen rumzuschlürfen und zu denken, ich wäre nur ein unbedeutendes staubkörnchen. warum also wird glück „leider“ als positiv empfunden?
08.02.2008 at 14:32
Jaja, ich werde demnächst mal über meiner erste literarische Begegnung mit Bukowski schreiben… das wird ein Fest ganz sicher.
Zum „leider“… wenn man diese nicht einfügt, wird die ganze Argumentation ad absurdum geführt. Wieso kann nicht auch eine Störung als positiv empfunden werden, nicht wahr? Also setzen wir ein „leider“ und schon passt es wieder.