Der Dicke wurde immer ausgelacht. Er war zu langsam beim Sport und wurde deswegen immer als letzter ausgewählt. Er kam immer schnell ins Schwitzen und aß gerne. Der dicke Junge hatte dann immer Glück, wenn er nur „moppelig“ genannt wurde. Schlimmer war es dann schon, wenn von den anderen Jungs fies gehänselt wurde. Schließlich konnte man ihm in den Bauch boxen, ohne dass es so weh tat.
Heute ist der dicke Junge nicht mehr allein. Er ist zur Norm geworden, er ist auch in uns; wenn man die Gewichtsentwicklung auf die Gesamtbevölkerung bezieht. Im Jahre 2006 gibt es 1 Milliarde übergewichtigte Menschen auf der Erde. Ebenso zeigt der Anstieg von weltweit 200 Millionen adipösen Erwachsene (1995) auf 300 Millionen (2000), dass die Krankeit Adiäposie auf dem Vormarsch ist. Die Anzahl derer, die weltweit an Unterernährung leiden, bemisst sich auf „nur“ 800 Millionen. Es gibt auf der Welt also mehr „Fette“ als Hungernde.
Doch was bedeutet eigentlich Fettleibigkeit? Um den Gewichtszustand eines Menschen zu beurteilen, nutzt man die Faktoren Alter, Geschlecht, Statur, Größe und Gewicht (die letzten beiden werden im Verhältnis Körpergewicht durch Größe ins Quadrat zum sogenannten Body-Mass-Index (BMI) zusammengefasst).
In nebenstehender Tabelle ist ein Überblick der BMI-Maße aufgezeigt. Entscheidend ist dabei jedoch, dass all diese Werte nur „Richtwerte“ darstellen, da zu einer exakten Bestimmung schwer kalkulierbare Faktoren wie Knochenstrukuktur, körperlich Fitneß, sowie die Art der Fetteinlagerung eingerechnet werden müssten. Zusehens fokussiert die Forschung auch anthropologische Faktoren wie „Volkszugehörigkeit“. Somit stellen diese Kriterien die absolute Gültigkeit der BMI-Tabellen in Frage, das Problem der Übergewichtigkeit wird jedoch kaum abgemildert.
Übergewichtig ist, wer einen BMI von über 25 (Männer) bzw. 24 (Frauen) hat. Fett ist, wer einen BMI über 30 hat.
Vorallem in den westlichen Industrienationen hat Übergewicht pandemische Ausmaße angenommen. Ebenso zeigen Zahlen aus China, dass Übergewicht längst kein urbanes Phänomen ist, sondern sich auch in der ländlichen Bevölkerung ausbreitet. Auch scheint die Krankheit vor arm und reich keinen Halt zu machen. Es ist ein globales Phänomen, das jeden trifft, egal welchen sozialen Status er besitzt. Besonders alarmierend sind die aktuellen Zahlen, die aus den USA – dem Geburtsland des Fastfoods – kommen. Dabei wird resümierend festgestellt, dass 2/3 (ca. 130 Millionen) der Amerikanischen Bevölkerung an Übergewicht leidet und die Krankheit mit ihren Folgeerscheinungen sich zur Haupttodesursache mausert. In Deutschland sind 67 % der Männer und 50 % der Frauen übergewichtig. Schlimmer ist jedoch, dass nahezu jedes 5. Kind hierzulande an Adipositas leidet.
Woher kommen die Probleme? Die Gründe für Übergewicht und Fettleibigkeit sind ein Cocktail aus verschiedenen Faktoren. Zum einen stehen da natürlich genetische Faktoren an, die beispielsweise den Energieumsatz, der aus der Nahrung gezogen wesentlich mitbestimmen können. Ebenso handelt es sich auch zunehmend um indivduell, psychologische Fakoren. Genauso wie es Anorexie gibt, spricht man von Fett- bzw. Fresssucht. Es ist eine krankhafte Esstörung, deren Ursachen vielfältig sein können. Besonders stehen dabei gesellschaftlich-kulturelle Faktoren im Mittelpunkt. Zum Einen gibt es seit Jahrzehnten ein Überangebot an energiereicher Nahrung („Wohlstandsfalle„) und aufgrund moderne Kommunikationsmethoden und allgemein neuerer Technologien vorwiegende sitzende Tätigkeiten, die zu einem extremen Bewegungsmangel führen (Artikel: „Die Mitglieder der Informationsgesellschaft sterben zunehmend an Verfettung„). Aber genauso führen Streß und Frust zu krankhaften Essgewohnheiten.
Problematisch ist vorallendingen die Tatsache, dass der menschliche Körper gewohnt ist, Energiereserven für schlechtere Zeiten anzulegen. Da aber heute in modernen Industriestaaten, sowie Schwellenländern diesen schlechten Zeiten zunehmend nicht mehr existieren, wirkt sich das in einer ansteigenden „gesellschaftlichen Verfettung“ aus.
Die größere Gefahr: Folgekrankheiten? Aber das Übergewicht allein macht nicht das Hauptübel aus. Vielmehr bergen die Folgeerkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Arterienverkalkung und somit Schlaganfälle, Herzinfarkte, Athrose, Gallensteine und zunehmend auch Rückenbeschwerden ein große Gefahr, die sowohl die Alterserwartung senkt, als auch die Gesundheitssysteme überlasten. Schon heute verkürzt die Fettleibigkeit die Lebenserwartung um 4 -9 Monaten. Da sich aber die Fettleibigkeit auch bereits bei Jugendlichen angesiedelt hat, kann dieser Wert sich in den nächsten Jahren auf bis zu 5 Jahre erhöhen. Somit stellt unsere Generation die erste dar, die eine kürzere Lebensertwartung als ihre Eltern aufweist. Aus medizinische Sicht zeigt sich somit, dass die Fettsucht die Verlängerung durch den medizinisch-technologischen Fortschritt auf kurz oder lang auffressen wird.
Das Geschäft mit den Dicken. Was all das bedeuten kann? Fettleibigkeit kann sich zu der Krankheit des 21. Jahrhunderts entwickeln. Derzeit steht in den USA Tabak weiterhin als Nummer 1 der Todesursachen fest. Jedoch ist diese Zahl rückläufig. Derweil steigt die Zahl derer, die an falscher Ernährung und mangelnder Bewegung sterben, zusehens. Schon heute sterben in den USA mehr Menschen an den Folge von Übergewicht als an Krebs oder harten Drogen. Auch haben sich schon heute ganze Industriezweige, auf die Belange von Übergewichtigen spezialisiert. Neben Läden mit übergroßer Kleidung („Mode für Mollige“), ist auch die Nahrungsmittel Industrie in zwei Hinsichten an der „Fettfront“ unterwegs. Zum Einen gibt es eine riesige und unüberschaubare Anzahl an kalorienreichen Lebensmitteln, die sich vorallem im Fertigproduktsegement positionieren (CurryKing, MaggiFix, Fastfood; Artikel: „Fremde fette Welt„) und in der Süßwarenindustrie verstecken. Auf der anderen Seite stellen vorallem Diät- und Lightprodukte, die beim Abnehmen behilflich sein sollen, eine gute und hochpreisige Einnahmequelle für die Unternehmen dar. Auch existiert ein riesiges Geschäft mit Diäten. In zahlreichen Buchpublikationen wird der Weg zum perfekten Körper beschrieben. Dabei sind die Hauptmöglichkeiten zur Gewichtsreduktion nahezu jedem bekannt: mehr Bewegung und eine ausgewogene, gesunde (fettärmere) Ernährung. Wer keine Lust hat abzunehmen, verspricht sich oftmals Hilfe von diversen Diätpillen. Bisher scheint aber kein Pharmakonzern die „Wunderpille“ gefunden zu haben; stattdessen nur falsche Versprechen.
Die fette Gesellschaft? Einen Blick in die Zukunft wagt man kaum zu werfen. Wir könnten in einer Welt leben, in der AIDS und Krebs besiegt wurden, die aber an chronische Überernährung leidet und sich dadurch selbstdezimiert. Ebenso könnte sich das Schönheitsideal wandeln, da es definitiv anstrengender ist, auf die Figur zu achten, als sich „gehen zu lassen“. Genauso wäre es aber auch möglich, dass sich die „Diätindustrie“ in der Welt festigt und somit das Gleichgewicht wiederherstellt.
Die Regierungen sind gefragt. Was auch kommen mag, schon heute muss gegengesteuert werden. Der Ernährungswissenschaftler Barry Popkins schlägt vor: energiereiche Lebensmittel zu verteuern, sodass die Verbraucher vermehrt auf gesunde Nahrung umsteigen. Fraglich bleibt natürlich, wie dies in einer Marktwirtschaft umgesetzt werden soll, da doch oftmals die gesunden Lebensmittel zu den teuren Produkten gehören. Andere Wissenschaftler schlagen vor, die Bewegung der Bevölkerung zu erhöhen. Vorallem die Amerikaner laufen einfach zu wenig. Selbst kurze Strecken werden mit dem Auto gefahren. Somit würde die Verteuerung des Autofahrens (Anschaffungspreis, Steuern, Karftstoff) dazu führen, dass die Amerikaner mehr laufen müssten und sich somit aus ihrem Bewegunsmangel herausschälen. Die Umsetzung all dieser Vorschläge erscheint aber sehr fraglich. Zumal der Amerikaner, laut Michael Moore, sein Auto liebt.
Die Europäische Union (EU) hat Fettleibigkeit als Verhaltensstörung anerkannt und möchte nun mit Aufklärung und der Kennzeichnung von Lebensmitteln der schleichenden gesellschaftlichen Verfettung zu Leibe rücken. Genauso möchte sie den gewinnstärkeren Verkauf von gesunden Lebensmitteln fördern, um den Prozess zu beschleunigen. Der Vorschlag der Kennzeichnung von Produkten erscheint mir sehr klug. Somit könnte ich mir ein Klassifikationssystem von grün (geringe Energiedichte) über blau, gelb bis hin zu rot (sehr hohe Energiedichte) vorstellen.
Doch eigentlich sollte die Hilfestellung zur gesunden Ernährung schon im Kleinen beginnen. Jegliche Mensen und Cafetèrien sollten den Energiegehalt ihrer Nahrungsmittel und Mahlzeiten gleich beim Verkauf veröffentlichen. Schon da würde man meiner Meinung nach, eine Zulauf zu energieniedrigeren Lebensmitteln finden. Wichtig wäre es auch, immer eine preisgünstige Salatalternative anzubieten.
Helfen wir endlich dem dicken Kind ins uns.
04.09.2006 at 23:27
Nabend. Passendes Thema. Ich schau gerade „EXTRA – Das RTL-Magazin“. Hier geht es allerdings eher um die zu dünnen Mädels. Es scheint jetzt modern zu sein verhungert auszusehen um Größe 0 zu haben um in eine 24er Hose reinzupassen.
Was ist so toll daran keinen Arsch mehr zu haben?
25.11.2006 at 13:51
Ich war eben in der Stadt und habe wieder viele richtig fette leute gesehen. Das ist einfach abartig!!!!! Doch was auch nicht schön ist sind die ganz dünnen Mädchen die nur noch aus haut und knochen bestehen !!!